aa) Grundsätzliches
Rz. 135
Gebäude gehören grundsätzlich zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks (§ 94 Abs. 1 S. 1 BGB). Wesentliche Bestandteile eines Gebäudes sind auch die zur Herstellung desselben eingefügten Sachen (§ 94 Abs. 2 BGB), so dass deren Wert auch Teil des Grundstückswertes ist. Jedoch sind auch hier Ausnahmen zu beachten:
Nach § 95 Abs. 1 BGB sind Scheinbestandteile eines Grundstücks nicht als seine wesentlichen Bestandteile anzusehen. Das gilt z.B. für Gegenstände, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind, oder Gebäude oder andere Werke, die in Ausübung eines dinglichen Rechts an diesem Grundstück (etwa Erbbaurecht, vgl. § 12 ErbbauRG) von dem Berechtigten hiermit verbunden wurden. Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in das Gebäude eingefügt wurden, sind ebenfalls nicht Bestandteil des Gebäudes (§ 94 Abs. 2 BGB).
Rz. 136
Gebäude können nur dann bei der Bewertung berücksichtigt werden, wenn bzw. soweit die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, insbesondere Baugenehmigungen, vorliegen. Denn anderenfalls droht wegen des baurechtswidrigen Zustands ein Bußgeld, eine Nutzungsuntersagung, eine Stilllegungs- oder im Einzelfall sogar eine Rückbau- oder Abrissverfügung.
Die Überprüfung erfordert eine Einsichtnahme in die entsprechenden Genehmigungsunterlagen, insbesondere die einschlägigen Bauakten bei den Baugenehmigungsbehörden (Bauaufsichtsbehörden). Echte Schwarzbauten sind zwar selten, jedoch fehlen für nachträgliche Umbauten, Erweiterungen oder baurechtliche Nutzungsänderungen mitunter am Stichtag die erforderlichen Genehmigungen, die sich i.d.R. nach den Bestimmungen der Landesbauordnungen richten. Wird ein solcher Tatbestand festgestellt, so kommt es weiter darauf an, ob ein nur formal baurechtswidriger Zustand vorliegt, weil das Bauwerk zwar so nicht genehmigt, aber immerhin genehmigungsfähig ist, oder aber ob es materiell baurechtswidrig ist, weil es auch nicht genehmigungsfähig ist.
Nach § 5 Abs. 1 S. 2 ImmoWertV ist bei Abweichungen vom rechtlich Zulässigen grundsätzlich das Maß der Nutzung maßgeblich, das auf dem jeweiligen Grundstücksmarkt üblicherweise zugrunde gelegt wird. Außerdem ist nach § 40 ImmoWertV grundsätzlich die tatsächliche bauliche Nutzung entscheidend, insbesondere auch nach § 40 Abs. 5 Nr. 2 ImmoWertV bei ungenehmigten Gebäuden im planungsrechtlichen Außenbereich.
Rz. 137
Wie bereits erwähnt, kommen für die Bewertung bebauter Grundstücke unterschiedliche Bewertungsverfahren in Betracht. Die Auswahl der Bewertungsmethode hängt dabei vor allem von der Art des bebauten Grundstücks sowie den für die Bewertung zur Verfügung stehenden Daten und Informationen ab.
Die für Immobilienbewertungen im Rahmen pflichtteilsrechtlicher Fragestellungen praktisch bedeutsamsten Aspekte sollen nachfolgend kurz umrissen und erläutert werden.
bb) Bewertung selbstgenutzter Immobilien
Rz. 138
Die Ermittlung des Wertes selbstgenutzter Immobilien, vor allem von Ein- und Zweifamilienhäusern, erfolgt im Regelfall nach dem Vergleichswertverfahren. Soweit verwendbare Vergleichswerte bzw. Vergleichsfaktoren nicht zur Verfügung stehen, kommt dies allerdings nicht in Betracht; dann findet i.d.R. das Sachwertverfahren Anwendung. Maßgeblich ist in erster Linie der Preis, den ein potenzieller Erwerber für eine Immobilie, die er selbst nutzen will, zu zahlen bereit wäre. Dieser hängt vor allem davon ab, wie viel er für ein anderes Grundstück in vergleichbarer Lage aufwenden müsste und welche Kosten die Herstellung eines vergleichbaren Gebäudes auf diesem Grundstück verursachen würde. Die Nutzungs- und Ertragsmöglichkeiten stehen hier regelmäßig nicht im Vordergrund.
Rz. 139
Das Sachwertverfahren geht von der Vorstellung aus, dass die Ersatzbeschaffungskosten der zu bewertenden Immobilie für deren Bewertung maßgeblich sind. Sein Anwendungsbereich ist daher immer dann eröffnet, wenn die Kosten der Ersatzbeschaffung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr als preisbestimmend angesehen werden können.
Rz. 140
Ausgangspunkt für die Durchführung des Sachwertverfahrens bilden die gewöhnlichen Herstellungskosten (Normalherstellungskosten – NHK 2010). Dabei sind auch die am Wertermittlungsstichtag vorherrschenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie sie im Falle einer Neuerrichtung des Bewertungsobjekts anfallen würden, zu berücksichtigen. Im Vordergrund steht nicht die Reproduktion des bestehenden Objekts (unter Zugrundelegung des im Errichtungszeitpunkt gültigen Baustandards etc.), vielmehr sind es die "neuzeitlichen Erstbeschaffungskosten". Auf diese Weise ergibt sich ein vorläufiger Sachwert (§ 36 ImmoWertV), der anschließend insbesondere mit Hilfe von so genann...