Rz. 148
Renditeimmobilien dienen grundsätzlich der Erzielung laufender Einkünfte. Daher ist für ihre Bewertung vorrangig das Ertragswertverfahren anzuwenden. Für einen potenziellen Erwerber stellen die zukünftig erzielbaren Überschüsse den für die Wertbemessung entscheidenden Gesichtspunkt dar. Ein Grundstück kann demnach nur so viel wert sein, wie sich durch seine Nutzung an Gewinn erwirtschaften lässt.
Rz. 149
Mithin bildet das Ertragswertverfahren die geeignete Bewertungsmethode für alle Objekte, bei denen die Verzinsung des investierten Kapitals für die Preisbildung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ausschlaggebend ist, also insbesondere Mietwohn- und Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Gewerbe- und Industriegrundstücke. Das Ertragswertverfahren kann aber auch bei der Bewertung von Ein- und Zweifamilienhäusern Anwendung finden. Auch wenn hier grundsätzlich das Sachwertverfahren typischerweise zu zutreffenden Ergebnissen führt, kommt alternativ auch das Ertragswertverfahren in Betracht. Voraussetzung ist allerdings im Regelfall, dass geeignete Liegenschaftszinssätze zur Verfügung stehen.
Rz. 150
Der Ertragswert stellt sich prinzipiell als die auf den Bewertungsstichtag abdiskontierte Summe aller künftigen Nettoerträge des Bewertungsobjekts dar. Er setzt sich zusammen aus der Summe der (auf den Bewertungsstichtag abdiskontierten) über die verbleibende wirtschaftliche Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen jährlich anfallenden Reinerträge und dem hernach voraussichtlich noch verbleibenden (abdiskontierten) Restwert des Bewertungsobjekts.
Rz. 151
§ 27 ImmoWertV stellt für die Durchführung des Ertragswertverfahrens verschiedene Varianten zur Verfügung, nämlich das so genannte vereinfachte Ertragswertverfahren (§ 27 Abs. 5 Nr. 2 i.Vm. § 29 ImmoWertV), das ohne eine Aufteilung des Ertragswerts in einen Boden- und einen Gebäudewertanteil auskommt, und das allgemeine Ertragswertverfahren (§ 27 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 28 ImmoWertV), bei dem eine Aufteilung des Ertragswerts in einen Boden- und einen Gebäudewertanteil erfolgt. Daneben existiert noch das so genannte mehrperiodische Ertragswertverfahren auf der Grundlage alternierender Erträge (§ 27 Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 30 ImmoWertV).
Rz. 152
Das vereinfachte Ertragswertverfahren wurde in der Vergangenheit auch als eingleisiges Ertragswertverfahren bezeichnet. Grundsätzlich sind aber alle drei Verfahren mathematisch identisch und sollten daher zu denselben Wertfeststellungen führen.
Rz. 153
Das "Standardverfahren" ist das (zweigleisige) allgemeine Ertragswertverfahren nach § 27 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 28 ImmoWertV. Dieses stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
Bodenwert und Gebäudewert werden getrennt voneinander ermittelt. Für die Bestimmung des (vorläufigen) Bodenwerts (§ 40 ImmoWertV) gelten die oben für die Bewertung unbebauter Grundstücke dargestellten Grundsätze. Die ImmoWertV fordert grundsätzlich, dass der Bodenwert "vorrangig" aus geeigneten Vergleichspreisen (§ 24 Abs. 1 S. 1 ImmoWertV) abgeleitet werden solle, lässt nachrangig aber auch eine Ableitung auf der Grundlage geeigneter Bodenrichtwerte zu. Gerade bei bebauten Grundstücken, bei denen die Gebäude eine lange Nutzungsdauer aufweisen, kann in der Praxis aber wohl davon ausgegangen werden, dass die Verwendung des Bodenrichtwerts die an eine ordnungsgemäße Durchführung des Ertragswertverfahrens zu stellenden Anforderungen erfüllt, jedenfalls dann wenn der Bodenrichtwert unter Heranziehung des Liegenschaftszinssatzes ermittelt wurde.
Rz. 154
Die Ermittlung des Gebäudeertragswerts beginnt mit der Bestimmung des Gebäudereinertrages. Der Reinertrag bestimmt sich gemäß § 31 Abs. 1 ImmoWertV als Differenz von Rohertrag und Bewirtschaftungskosten.
Rz. 155
Sowohl Roh- als auch Reinertrag verstehen sich als die "bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung (am Bewertungsstichtag) marktüblich erzielbaren Erträge" (für den Rohertrag ausdrücklich: § 31 Abs. 2 S. 1 ImmoWertV). Folgerichtig verstehen sich auch die Bewirtschaftungskosten als die "bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung marktüblich entstehenden" Aufwendungen (§ 32 Abs. 1 ImmoWertV). Die marktüblich erzielbaren Erträge bzw. zu erwartenden Aufwendungen können im Einzelfall von den tatsächlich vereinbarten bzw. anfallenden Mieten/Kosten abweichen. Sie sind insbesondere auch – unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen – bei eigengenutzten Gebäuden bzw. Gebäudeteilen sowie im Falle von Leerständen anzuwenden.
Rz. 156
Bei (selbstgenutzten) Wohnimmobilien kann als marktüblich erzielbare Miete regelmäßig die ortsübliche Vergleichsmiete angesehen werden. Diese ist aus einem repräsentativen und angemessenen Querschnitt der in den letzten sechs Jahren tatsächlich und üblicherweise gezahlten Bestandsmieten für nicht preisgebundene Wohnungen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage abzuleiten. ...