Dr. Christopher Riedel, Prof. Dr. Carmen Griesel
a) Besteuerung der laufenden Einkünfte und des Veräußerungserlöses
Rz. 362
Wertpapiere, die im Privatvermögen gehalten werden, unterliegen seit dem 1.1.2009 einheitlich der Abgeltungsteuer und damit einem Sondersteuersatz von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer, § 32d Abs. 1 EStG. Dies gilt sowohl für die laufenden Einkünfte (Zinsen, Dividenden usw. i.S.v. § 20 Abs. 1 EStG) als auch die Veräußerungs- und Einlösungsgewinne aus Wertpapieren (§ 20 Abs. 2 EStG).
Rz. 363
Unter der Abgeltungsteuer scheidet ein Werbungskostenabzug (z.B. Schuldzinsen bei einer Fremdfinanzierung oder Depotgebühren) in tatsächlicher Höhe bezogen auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen aus. Zulässig ist nur noch der Abzug des sog. Sparerpauschbetrages in Höhe von 801 EUR bzw. 1.602 EUR (bei Zusammenveranlagung von Ehegatten) als pauschalierte Werbungskosten, § 20 Abs. 9 EStG. Demgegenüber bleiben Kosten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschaffung und der Veräußerung eines Wertpapiers stehen (z.B. Courtage für den Verkauf), auch unter der Abgeltungsteuer abzugsfähig. Diese weitreichende Kappung der Werbungskosten hat der BFH unter Berücksichtigung des niedrigen Abgeltungsteuersatzes mittlerweile in mehreren Urteilen als verfassungskonform eingestuft.
Rz. 364
Wertpapierveräußerungsgeschäfte und die Einlösung von Wertpapieren sind seit Einführung der Abgeltungsteuer unbefristet zu versteuern. Die bis zum 31.12.2008 auch für Wertpapiere geltende Jahresfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG für Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren ist insoweit entfallen. Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren sind unter der Abgeltungsteuer als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 EStG steuerpflichtig. Das sog. Teileinkünfteverfahren, das zu einer 40 %igen Steuerfreistellung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften führt (vgl. § 3 Nr. 40 EStG), scheidet im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer aus.
Hinweis
Die Regelung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ist jedoch nicht vollständig entfallen, sondern beschränkt sich seit dem 1.1.2009 auf andere Wirtschaftsgüter, die keine Wertpapiere i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG und keine Grundstücksveräußerungen i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG darstellen. Nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 3 EStG erhöht sich die Jahresfrist auf eine Zehnjahresfrist, wenn diese Wirtschaftsgüter zumindest in einem Kalenderjahr der Einkünfteerzielung gedient haben, also z.B. zwischenzeitlich vermietet wurden. Mit Wirkung zum 1.1.2010 ist die Veräußerung von Gegenständen des täglichen Gebrauchs (z.B. das Brautkleid oder Haushaltsgegenstände) durch das Jahressteuergesetz 2010 ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Norm herausgenommen worden (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG), nachdem der BFH die regelmäßig bei einer solchen Veräußerung entstehenden Verluste als steuerlich relevante Verluste i.S.d. §§ 22, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG anerkannt hatte.
Zu beachten sind die Übergangsregelungen zum System der Abgeltungsteuer: Nach § 52a Abs. 10 S. 1 EStG gilt die Abgeltungsteuer und damit die unbefristete Besteuerung von Veräußerungserlösen erst für Wertpapiere (z.B. Aktien), die seit dem 1.1.2009 erworben wurden. Für vor dem 1.1.2009 erworbene Aktien gilt § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a.F. und damit die Jahresfrist fort, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Veräußerung erfolgt. In 2008 erworbene Aktien können danach noch im Jahr 2015 (und später) unter Anwendung von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a.F. steuerfrei veräußert werden. Ein abweichender Anwendungszeitpunkt für die Abgeltungsteuer gilt z.B. für Finanzinnovationen (Zeitpunkt der Veräußerung entscheidend) und ab 1.1.2018 für Investmentfonds (Umqualifizierung von Alt- in Neubestand).
Hinweis
Vermittelt das Wertpapier aber eine Beteiligung in Höhe von mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaft, greift bei einer Veräußerung die Regelung des § 17 EStG ein (siehe unten Rdn 377). Der Veräußerungsgewinn stellt in diesem Fall Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar, die dem Teileinkünfteverfahren unterliegen (siehe unten Rdn 380). Die Abgeltungsteuer scheidet insoweit aus, da sie gegenüber anderen Einkunftsarten nach § 20 Abs. 8 EStG subsidiär ist.
Rz. 365
Die Abgeltungsteuer findet auch dann keine Anwendung, wenn die Wertpapiere im Betriebsvermögen gehalten werden. Hier gilt für Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften – unabhängig von einer Beteiligungshöhe – das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG. Handelt es sich um eine sog. Schachtelbeteiligung, d.h. werden die Anteile an einer Kapitalgesellschaft von einer anderen Kapitalgesellschaft gehalten, werden Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften bei der anderen Kapitalgesellschaft im Ergebnis zu 95 % gemäß § 8b KStG steuerfrei gestellt; Dividenden jedoch nur, wenn die Beteiligung mind. 10 % beträgt, § 8b Abs. 4 KStG. Diese Steuerbefreiung gilt jedoch nicht, wenn die Kapitalgesellschaft als Finanzunternehmen nach § 8b Abs. 7 KStG eingestuft wird.
Rz. 366
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