Rz. 8

Die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen wird in § 4 BDSG geregelt. Danach ist die offene Beobachtung zulässig, soweit dies zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Belange der Betroffenen überwiegen.

Der Begriff des öffentlich zugänglichen Raums ist eng zu verstehen. Erfasst sind nur solche Bereiche, die ohne Überwindung der geschlossenen Begrenzung von einer unbestimmten Vielzahl von Personen betreten werden können und nach ihrer Zweckbestimmung der Allgemeinheit zugänglich sind. Bei Flughäfen und Bahnhöfen versteht sich dies von selbst; schwieriger ist die Abgrenzung bspw. bei Parkplätzen auf dem Gelände eines Krankenhauses. Hier ist vor allem auf die Zweckbestimmung der Parkplatznutzung abzuheben. Die Überwachung von Büro- und Arbeitsräumen lässt sich im Ergebnis kaum unter einen öffentlich zugänglichen Raum subsumieren.

a) Zulässigkeit einer offenen Überwachung öffentlicher Räume

 

Rz. 9

Wie bereits erwähnt, regelt § 4 BDSG nur die offene Überwachung. Sie ist in öffentlich zugänglichen Räumen nicht allgemein zulässig. Vielmehr muss die Videoüberwachung den in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 BDSG genannten Zwecken dienen und vor allem "erforderlich" sein. Hierdurch hat der Gesetzgeber auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip abgestellt.

Deshalb ist insbesondere zu prüfen, ob die Videoüberwachung nicht allein deshalb entbehrlich ist, weil der Zweck auf anderem Wege erreicht werden kann. Außerdem ist zu überlegen, ob schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

Diese Abwägung ist anhand der konkret zu schützenden Interessen und der Eingriffsintensität vorzunehmen. Es ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Eine zeitlich und/oder räumlich begrenzte Überwachung gefährdeter Bereiche wird dabei häufig ohne Weiteres gerechtfertigt sein; eine zeitlich und/oder räumlich umfassende Überwachung dürfte demgegenüber mindestens überdenkenswert sein. Eine Beobachtung von Räumen, die die Intimsphäre der beobachteten Person berühren (Umkleideräume, Saunen, ärztliche Behandlungsräume oder auch Toilettenanlagen), ist demgegenüber generell unzulässig.[3]

Die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen ist nach § 4 Abs. 2 BDSG offen zu legen. Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle (also der Verwender der Anlage) sind durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen. Nur so wird dem Charakter der "offenen" Überwachung Rechnung getragen.

[3] Kazemi/Leopold, Datenschutzrecht, § 3 Rn 736.

b) Zulässigkeit einer verdeckten Überwachung öffentlicher Räume

 

Rz. 10

Diese Notwendigkeit der Offenlegung i.S.v. § 4 Abs. 2 BDSG führt zu der Frage, ob in öffentlich zugänglichen Räumen auch eine verdeckte Videoüberwachung stattfinden darf.

Vor der Einführung der Erlaubnisnorm im BDSG (§ 6b BDSG a.F.) ging das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auch in öffentlich zugänglichen Räumen eine verdeckte Videoüberwachung erfolgen dürfe, soweit der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung zu Lasten des Arbeitgebers bestand, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachtes ausgeschöpft waren und die verdeckte Überwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig erschien.[4] In der Literatur wurde verschiedentlich die Ansicht vertreten, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei mit dem Inkrafttreten von § 6b BDSG a.F. überholt. Die Bestimmung regele die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen abschließend.[5] Dieser Auffassung der Literatur hat das BAG nun widersprochen.[6] Nach Ansicht des BAG handelt es sich bei § 6b BDSG a.F. (= § 4 BDSG) um eine bloße Ordnungsvorschrift.[7] Damit kann im Einzelfall auch eine verdeckte Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen zulässig sein.[8] Voraussetzung ist eine verfassungskonforme Auslegung: Die verdeckte Videoüberwachung muss das einzige Mittel zur Überführung von Arbeitnehmern sein, die der Begehung von Straftaten konkret verdächtig sind.

Somit ist eine heimliche Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen nicht generell ausgeschlossen.

[5] Bayreuther, NZA 2005, 1038; Däubler, NZA 2001, 874.
[6] BAG 21. 6. 2012 - 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025.
[8] BAG 21. 6. 2012 - 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025; BAG 22.9.2016 – 2 AZR 848/15, NZA 2017, 112.

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