Rz. 1
EDV lässt sich aus dem Arbeitsalltag kaum mehr wegdenken. Spätestens ihr Ausfall zeigt uns, in welchem Umfang wir auf Computer und moderne Technologien angewiesen sind. Denn die Nutzung wird als zwingend erforderlich angesehen; ihre Vorteile stehen im Mittelpunkt der Betrachtung. Die gleichzeitig bestehenden Gefahren dringen hingegen selten in das Bewusstsein. Das gilt für einen etwaigen Missbrauch der technischen Einrichtungen und Möglichkeiten ebenso wie für die Gefahr des "gläsernen Mitarbeiters". Sie wird allerdings nicht nur durch standardisierte Softwareprogramme begründet, sondern auch durch eine digitale oder analoge Videoüberwachung, elektronische oder biometrische Zugangskontrollen, die Benutzung von Keylogger-Software sowie die Ortung eines Arbeitnehmers via GPS.
Rz. 2
Der Einsatz dieser technischen Überwachungseinrichtungen wirft eine Vielzahl rechtlicher Probleme auf. Regelmäßig kollidieren zwei Interessen. Auf der einen Seite stehen die Belange des Arbeitgebers, namentlich sein Interesse an einer ordnungsgemäßen und ungestörten Betriebsführung (Art. 12 GG) sowie der Schutz seines Eigentums (Art. 14 GG). Auf der anderen Seite steht das Persönlichkeitsrecht des einzelnen Arbeitnehmers (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG). Es soll die engere persönliche Lebenssphäre schützen und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen gewährleisten.
Beide Interessen sind grundrechtlich geschützt und haben einen entsprechend hohen Rang. Indes binden Grundrechte nur die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung unmittelbar (Art. 20 Abs. 3 GG) und wirken nicht zwischen Personen. Nach der Lehre der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte ist jedoch der Staat verpflichtet, jeden Bürger vor einer Gefährdung seines Persönlichkeitsrechts durch Dritte zu schützen. Privatrechtliche Vorschriften müssen daher in vollem Umfang dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gerecht werden.
Unter diesem Gesichtspunkt ist bei Überwachungseinrichtungen zunächst das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) relevant. Es enthält Rahmenbedingungen zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung. Sie beeinflussen u.a. das Verhalten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer und sorgen für einen angemessenen Ausgleich der bereits erwähnten Interessen beider Vertragsteile. Seit dem 25.5.2018 findet zudem die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Anwendung. Auf dieser Basis waren die Mitgliedsstaaten gehalten, ihre nationale Gesetzgebung anzupassen. Dem ist der Gesetzgeber mit dem "Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU (DSAnpUG-EU)" nachgekommen. Im Kern enthielt das DSAnpUG-EU eine vollständige Neufassung des BDSG, die zeitlich mit der DSGVO mit dem 25.5.2018 in Kraft getreten ist. Auch zukünftig wird der Einsatz von Videoüberwachung, elektronischen und biometrischen Zugangskontrollen sowie der GPS-Ortung somit am Schutzmaßstab des BDSG sowie anhand der DSGVO zu messen sein.
Rz. 3
Unabhängig von diesen datenschutzrechtlichen Aspekten sind die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen zu beachten. Hierzu gehört insbesondere § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, der die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen der betrieblichen Mitbestimmung unterwirft, sofern die Anlagen dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bezweckt nicht den Schutz der Arbeitnehmer vor jeglicher Überwachung, wohl aber vor den besonderen Gefahren solcher Überwachungsmethoden. Dadurch konkretisiert § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die Pflicht des Arbeitgebers und des Betriebsrats, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern, § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG (zur Betriebsratsbeteiligung vgl. § 2 Rdn 3 ff.).
Auch wenn die Schutzmaßstäbe des BDSG und BetrVG in der Praxis mitunter wenig Beachtung finden, darf ihre Bedeutung nicht unterschätzt werden. Denn Verstöße gegen das BDSG oder gegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG können Unterlassungsansprüche zur Folge haben oder den Arbeitgeber in der Verwertung der Erkenntnisse erheblich beschränken. Beispielsweise können Verletzungen des BDSG im Prozess zur Nichtberücksichtigung von Tatsachen führen oder Beweisverwertungsverbote auslösen. Zuletzt kann der Betroffene in bestimmten Fällen sogar eine Entschädigung verlangen.