Rz. 559
Der Gesetzgeber hat Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG zum 1.1.2021 sprachlich angepasst. Bis 31.12.2020 wurde noch auf einen "schriftlichen Vergleich in einem solchen Verfahren" abgestellt. Es war schon seit einiger Zeit in der Fachliteratur immer wieder die Frage aufgeworfen worden, wie Abs. 1 Nr. 1 der Anmerkung zu Nr. 3104 VV RVG zu verstehen ist. Dabei wurde diskutiert, ob hiermit der Vergleich nach z.B. § 278 Abs. 6 ZPO allein gemeint sei oder ob die Terminsgebühr auch dann entstehen könne, wenn ohne Beteiligung des Gerichts ein Vergleich geschlossen wird, der aufgrund seiner kurzfristigen Erfüllung beispielsweise weder einer Protokollierung nach § 160 Abs. 4 ZPO noch einer Feststellung im Beschlusswege nach § 278 Abs. 6 ZPO bedarf. Vergleiche können z.B. protokolliert (§ 160 Abs. 4 ZPO) oder aber im Beschlusswege festgestellt werden (§ 278 Abs. 6 ZPO), dann ohne Termin. Im ersten Fall (Protokollierung) entsteht die Terminsgebühr bereits durch die Wahrnehmung des Termins, so dass es weiterer Überlegungen zur Entstehung nicht bedarf. Für zweiteren Fall (Beschlusswege-Feststellung) waren sich Gerichte und Experten einig, hatte dies doch auch bereits der BGH 2005 so entschieden. Wie aber ist diese Frage zu beantworten, wenn es weder einer Protokollierung noch einer Feststellung mehr bedarf, weil der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich recht schnell erfüllt wird? Hier gab es unterschiedliche Auffassungen. Während die einen Gerichte sich für einen Anfall aussprachen, lehnten andere die Entstehung der Terminsgebühr in solchen Fällen ab.
Rz. 560
Der BGH hatte diese Frage im Mai 2020 endlich zugunsten der Anwaltschaft entschieden und damit gleich zwei Fragen beantwortet: 1. Die Terminsgebühr kann für außergerichtliche schriftliche Vergleiche entstehen. 2. Das gilt auch im einstweiligen Verfügungsverfahren.
Zitat
"a) Für die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 VV RVG genügt der Abschluss eines außergerichtlichen schriftlichen Vergleichs; nicht erforderlich ist, dass der Vergleich protokolliert oder sein Zustandekommen gemäß § 278 Abs. 6 ZPO seitens des Gerichts festgestellt wird."
b) Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 VV RVG entsteht auch dann, wenn der schriftliche Vergleich in einem einstweiligen Verfügungsverfahren nach §§ 935 ff. ZPO geschlossen wird.“
Der BGH begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, den Anwalt zu belohnen, der durch einen Vergleichsabschluss ein gerichtliches Verfahren zu Ende bringt.
Rz. 561
Der Gesetzgeber hat sodann zum 1.1.2021 die Wörter "ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird" durch die Wörter "mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Vertrag im Sinne der Nummer 1000 geschlossen wird oder eine Erledigung der Rechtssache im Sinne der Nummer 1002 eingetreten ist" ersetzt und begründete dies wie folgt:
Zitat
"In einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, erhalten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Terminsgebühr auch ohne Terminswahrnehmung unter anderem dann, wenn in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. In der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist anerkannt, dass insoweit ein privatschriftlicher Vergleich genügt und eine gerichtliche Protokollierung oder eine Feststellung nach § 278 Absatz 6 ZPO nicht erforderlich ist (siehe etwa BGH, Beschl. v. 7.5.2020 – V ZB 110/19; BGH Beschl. v. 27.10.2005 – III ZB 42/05; OLG Köln, Beschl. v. 6.4.2016 – I-17 W 67/16)."
Insbesondere in der Sozialgerichtsbarkeit, aber zum Teil auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird indes die Auffassung vertreten, dass eine Terminsgebühr im besagten Fall nur dann entstehen kann, wenn der Vergleich (etwa nach § 101 Absatz 1 Satz 2 SGG oder § 106 Satz 2 VwGO) unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossen wird (siehe etwa LSG NRW, Beschl. v. 11.3.2015 – L 9 AL 277/14 B; Sächs. LSG, Beschl. v. 19.5.2017 – L 8 R 682/15 B KO; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15.11.2017 – OVG 6 K 72.17).
Durch die vorgeschlagene Formulierung soll klargestellt werden, dass in allen Fällen, in denen der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr zusteht, also auch bei einem privatschriftlichen Vergleich, die fiktive Terminsgebühr entsteht, wenn diese Einigung oder Erledigung in einem Verfahren erfolgt, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. In diesem Zusammenhang soll der im RVG nicht mehr verwendete Begriff "Vergleich" gestrichen und durch die Bezugnahme auf einen Vertrag nach Nummer 1000 VV RVG ersetzt werden, wie dies bereits an anderen Stellen im RVG geschehen ist (siehe § 48 Absatz 3 RVG und Nummer 1003 VV RVG). Durch diese Regelung ist gewährleistet, dass nur eine solche Einigung eine fiktive Terminsgebühr auslöst, die auch den Gebührentatbestand der Nummer 1000 VV RVG erfüllt.
Das nunmehr vorgeschlagene Ergebnis entspricht auch einem dem anwaltlichen Vergütu...