Rz. 294
Grundsätzlich ist der erkennende Richter berechtigt, im Rahmen eines Vergleichs gem. § 127a BGB, Erklärungen aufzunehmen, die ansonsten der notariellen Beurkundung bedürfen. Ein solcher Vergleich wahrt nach Ansicht des BGH auch die Form des § 127a BGB.
Rz. 295
In dem vom BGH entschiedenen Fall wurden unter anderem die Veräußerung der gemeinsamen Immobilie sowie die Verteilung der Kosten und des Erlöses geregelt. Außerdem enthielt der Vergleich in Nr. 1 IV folgende Bestimmung: "Damit sind alle etwaigen gegenseitigen Zugewinnausgleichsansprüche erledigt. Die Beteiligten verzichten gegenseitig auf Zugewinnausgleichs- und Ehegattenunterhaltsansprüche und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an." Der Vergleich wurde – nachdem verschwiegenes weiteres Vermögen bekannt geworden war – wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Rz. 296
Der BGH befand, dass die getroffene Scheidungsfolgenvereinbarung weder der nach § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB erforderlichen Form entbehren würde, noch vom Antragsteller wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden war. Der BGH hielt zudem die fehlende Beratung/Warnung durch den Richter (anders als bei Vereinbarungen durch den Notar) nicht für schädlich. Da ein Beschlussvergleich jedoch kein Protokoll im eigentlichen Sinne ist, kommt § 127a BGB auf § 278 Abs. 6 ZPO nach Ansicht des BGH lediglich analog zur Anwendung.
Rz. 297
Schneider weist darauf hin, dass allerdings dann Vorsicht geboten ist, wenn im Vergleich eine Auflassung erklärt oder mit dem Vergleich ein Ehevertrag geschlossen werden soll. Sind Güterstandsregelungen oder die Erklärung einer Auflassung Gegenstand des Vergleichs, müssen diese unter Anwesenheit beider Vertragspartner entweder beim Notar geschlossen bzw. erklärt werden, §§ 925 Abs. 1 S. 1, 1410 BGB, oder aber im Rahmen eines protokollierten Vergleichs, § 160 Abs. 3 ZPO. Der Beschlussvergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO reicht hier nach Schneider nicht aus, da er lediglich auf dem Papierwege zustande gekommen ist; es fehlt an der materiell-rechtlich zwingend notwendigen Anwesenheit beider Parteien eben nicht in Anwesenheit der Vertragspartner geschlossen wird.
Rz. 298
Grundbuchämter lehnen aus diesem Grund häufig in der Praxis eine Eintragung in das Grundbuch ab, wenn bei Auflassung lediglich ein Beschlussvergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO vorgelegt wird und begründen dies damit, dass die Entscheidung des BGH aus 2017 nicht per se alle beurkundungspflichtigen Geschäfte durch einen Beschlussvergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO für wirksam abgeschlossen erachtet hat, sondern lediglich die hier in dem zu entscheidenden Fall in Frage stehenden. Denn auf die Voraussetzung des § 925 Abs. 1 BGB kann nach Ansicht dieser Rechtsprechung nicht verzichtet werden.
Rz. 299
Vorsicht!
Ist eine beurkundungsbedürftige Vereinbarung nicht beurkundet, so ist sie gemäß § 125 nichtig. Auf den Einwand der Formnichtigkeit kann nicht verzichtet werden. Dies bedeutet m.E. aber auch, dass, wenn man der Meinung folgt, dass eine Ersetzung durch Beschlussvergleich nicht möglich ist bei Auflassungserklärungen, die Vereinbarung ebenfalls mangels Formwirksamkeit nichtig wäre, wenn diese nur durch Beschlussvergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO ohne Anwesenheit der beiden Vertragspartner festgestellt werden.
Rz. 300
Es stellt sich nun die Frage, ob für die Mitwirkung am Zustandekommen einer nichtigen Vereinbarung eine Einigungsgebühr entstehen kann. M. E. ist davon streng die Frage zu trennen, ob eine entstandene Einigungsgebühr mit dem Mandanten abgerechnet werden kann oder sollte, bzw. ob der Vergütungsanpruch bei Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch erlöschen kann. Hier wiederum könnte m.E. interpretiert werden, dass wenn der Gesetzgeber für den widerruflich geschlossenen Vergleich, der widerrufen wird, eine Einigungsgebühr gar nicht erst entstehen lässt, siehe Anm. Abs. 3 zu Nr. 1000 VV RVG, dies auch für eine Einigung, die von Anfang an nichtig ist, gleichermaßen gelten muss.
Rz. 301
Hier ist jedoch zu differenzieren. In allen vier nachstehenden Fallgestaltungen ist davon auszugehen, dass der Anwalt am Zustandekommen der Vereinbarung ursächlich mitgewirkt hat und diesbezüglich auch beauftragt war. Auch die Voraussetzung "Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis", welche/r durch die Vereinbarung beseitigt wird, ist erfüllt.
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Fallgestaltung 1: Die Auflassung wird in einem gerichtlichen Vergleich unter Anwesenheit beider Vertragspartner (§ 925 Abs. 1 BGB) protokolliert. Dies ersetzt nach Rechtsprechung des BGH, siehe Rdn 294 oben die notarielle Beurkundung. Die Einigung ist wirksam erfolgt, so dass die Einigungsgebühr entstanden ist. Auf die dann noch notwendige Eintragung kommt es m.E. gebührenrechtlich ebenso wenig an, wie auch bei Zahlungsvereinbarungen die Einigungsgebühr nicht erst mit Erfüllung der Vereinbarung (= Zahlung der Vergleichssumme/Raten) entstanden ist. |
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Fallgestaltung 2: Die Auflassung wird in einem Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO ohne Anwesenheit b... |