Rz. 103
Die Gebühr für eine erste Beratung nach § 34 Abs. 1 S. 1 RVG ist auf eine Gebühr für eine sonstige Tätigkeit anzurechnen, die mit der Beratung zusammenhängt, § 34 Abs. 2 RVG. Die Anrechnungsvorschrift gilt auch für eine vereinbarte Vergütung.
Rz. 104
Anzurechnen ist nach meiner Auffassung nur auf eine folgende Betriebsgebühr, wie z.B. eine Geschäfts- oder Verfahrensgebühr, nicht aber auch noch auf weitere Gebühren. Eine Betriebsgebühr – und um eine solche handelt es sich nach meiner Auffassung auch bei der vereinbarten Gebühr für eine Beratung – kann aber immer nur auf eine Betriebsgebühr und nicht auf andere Gebühren angerechnet werden. So wird auch im gesamten RVG konsequenterweise eine Geschäftsgebühr immer nur auf eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr nur auf eine Terminsgebühr angerechnet.
Rz. 105
Praxistipp
Zur Vermeidung von Streitigkeiten mit dem Auftraggeber sollte die Anrechnung jeder Gebühr für eine Beratung, d.h. sowohl der vereinbarten Gebühr als auch der Kappungsbeträge aus § 34 Abs. 1 S. 3 RVG ausgeschlossen werden. Entscheidet sich der Anwalt später aus Gefälligkeit eine Anrechnung doch vorzunehmen, ist er zumindest frei in der Entscheidung was und wie viel er anrechnen möchte.
Rz. 106
Liegen zwischen Beratung und weitergehender Tätigkeit mehr als zwei Kalenderjahre, entfällt die Pflicht zur Anrechnung, § 15 Abs. 5 S. 2 RVG.
Sind der Gegenstand der weiteren Beratung und der ersten Beratung nicht identisch, hat die Anrechnung auch nur zu erfolgen, soweit Gegenstandsidentität gegeben ist. Es stellt sich die Frage, wie anzurechnen ist, wenn Gegenstand der Beratung und Gegenstand einer außergerichtlichen Tätigkeit nicht identisch sind.
Rz. 107
Muster 4: Musterrechnung 5.4: Beratung und weitergehende außergerichtliche Tätigkeit
Musterrechnung 5.4: Beratung und weitergehende außergerichtliche Tätigkeit
Beratung aus 10.000,00 EUR (erste Beratung) – hierfür vereinbart: Stundensatz 250,00 EUR
1 Stunde Tätigkeit
Außergerichtliche Tätigkeit aus 4.000,00 EUR (Hinweis: Der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit war auch vollumfänglich Gegenstand der Beratung)
Beratung:
Vereinbarte Gebühr, § 34 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 612 Abs. 2 BGB |
250,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
270,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
51,30 EUR |
Summe |
321,30 EUR |
Außergerichtliche Vertretung:
Gegenstandswert: 4.000,00 EUR
1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG |
361,40 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
381,40 EUR |
abzüglich vereinbarter Gebühr, § 34 Abs. 2 RVG./. |
250,00 EUR |
Zwischensumme |
131,40 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
24,97 EUR |
Summe |
156,37 EUR |
Rz. 108
Wie ist zu rechnen, wenn der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit höher ist als der Gegenstand der Beratung?
Muster 5: Musterrechnung 5.5: Erste Beratung und weitergehende Tätigkeit – unterschiedliche Werte
Musterrechnung 5.5: Erste Beratung und weitergehende Tätigkeit – unterschiedliche Werte
Erstmalige mündliche Beratung wg. Ehescheidung (Wert: 40.000,00 EUR), Ehegattenunterhalt (Wert: 6.000,00 EUR) und Versorgungsausgleich (Wert: 4.000,00 EUR) und gemeinsam gekaufter Immobilie (Wert: 250.000,00 EUR). Nach der ersten Beratung, für die eine Gebühr i.H.v. 250,00 vereinbart worden ist, erfolgt einige Wochen später eine gerichtliche Tätigkeit wg. der Ehescheidung, dem Ehegattenunterhalt und Versorgungsausgleich. Die Immobilie wird nicht Gegenstand der weitergehenden anwaltlichen Tätigkeit.
1. Beratung
Vereinbarte Gebühr, § 34 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 612 Abs. 2 BGB |
250,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
270,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
51,30 EUR |
Summe |
321,30 EUR |
Anrechnungsformel:
Gebührenbetrag (250,00 EUR) dividiert durch Wert der Beratung (300.000,00 EUR) multipliziert mit dem Wert der gerichtlichen Tätigkeit (51.000,00 EUR) = anzurechnender Betrag aus der Beratungsgebühr.
2. Gerichtliche Tätigkeit
1,3 Verfahrensgebühr aus 51.000,00 EUR Nr. 3100 VV RVG |
1.784,90 EUR |
abzgl. anteilig Erstberatung aus Wert 51.000,00 EUR ./. |
42,50 EUR |
Zwischensumme |
1.742,40 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.762,40 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
338,66 EUR |
Summe |
2.101,06 EUR |
Rz. 109
Formulierungshilfen
1. Ausschluss einer Anrechnung
"Die vereinbarte Gebühr gilt die reine Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts ab. Sofern zu einem späteren Zeitpunkt eine außergerichtliche oder gerichtliche Vertretung wegen desselben Gegenstands neue Gebühren auslöst, vereinbaren Rechtsanwalt und Mandant, dass eine Anrechnung der vereinbarten Vergütung ausgeschlossen wird. Das bedeutet, dass die Vergütung für eine Vertretung ungekürzt in Rechnung gestellt werden kann."
2. Ausschluss der Anrechnung auf andere als auf Betriebsgebühren (siehe hierzu Rdn 104 f. oben)
"Die vereinbarte Gebühr gilt die reine Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts ab. Sofern zu einem späteren Zeitpunkt eine außergerichtliche oder gerichtliche Vertretung wegen desselben Gegenstands neue...