Rz. 770
§ 204 BGB – Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung
(1) |
Die Verjährung wird gehemmt durch
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die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl EU Nr. L 399 S. 1), |
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Rz. 771
Die Verjährung wird gehemmt durch die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Mit Ausnahme der Umstellung auf den Hemmungstatbestand entspricht die Neuregelung inhaltlich dem bisherigen § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F.
aa) Anspruchsgrundlage
Rz. 772
Die mit der Zustellung eines Mahnbescheids verbundene Hemmungswirkung erfasst den Streitgegenstand insgesamt und somit auch alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die zum Streitgegenstand gehören.
bb) Missbrauch
Rz. 773
Wird das Mahnverfahren missbraucht, entfällt eine Berufung auf Verjährungshemmung.
cc) Fristenlauf
Rz. 774
§ 204 Abs. 2 BGB gilt, d.h. die Hemmung endet erst sechs Monate nach Erledigung des eingeleiteten Verfahrens.
dd) Individualisierung
Rz. 775
Zu einer Verjährungshemmung führt ein Mahnbescheid nur, wenn und soweit er hinreichend individualisiert ist. Der Mahnbescheid muss erkennen lassen, welcher Anspruch konkret verfolgt wird. Der durch Mahnbescheid geltend gemachte Anspruch muss also, damit die Verjährung gehemmt wird, derart bezeichnet sein, dass er Grundlage eines Vollstreckungstitels sein und der Schuldner erkennen kann, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird und woraus der Gläubiger seinen Anspruch herleitet.
Rz. 776
Die im Mahnbescheid nicht hinreichende Individualisierung des Anspruchs kann nachgeholt werden. Die Nachholung der Individualisierung hemmt die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Zeitpunkt ihrer Vornahme. Für die nachträgliche Individualisierung des Anspruchs im Mahnverfahren ist ebenso wie für die Individualisierung im Mahnbescheid ausschließlich auf den Erkenntnishorizont des Schuldners abzustellen. Dementsprechend ist es ohne Bedeutung, ob die Individualisierung des Anspruchs durch an das Gericht gerichteten Schriftsatz oder außerhalb des Gerichtsverfahrens erfolgt.
Rz. 777
Die Zustellung eines Mahnbescheids, mit dem ein Teilbetrag aus mehreren Einzelforderungen geltend gemacht wird, hemmt die Verjährung nicht, wenn eine genaue Aufschlüsselung der Einzelforderungen unterblieben ist und die Individualisierung erst nach Ablauf der Verjährungsfrist im anschließenden Streitverfahren nachgeholt wird. Dies gilt aber nur für die Aufschlüsselung mehrerer Einzelforderungen, nicht für die nachträgliche Individualisierung von mehreren Rechnungsposten einer einheitlichen Forderung.
Rz. 778
Für die zur Verjährungshemmung durch Mahnbescheid erforderliche Individualisierung der darin geltend gemachten Ansprüche genügt, wenn der Schuldner selbst (z.B. anhand einer im Mahnbescheid genannten und ihm bekannten Forderungsaufstellung) erkennen kann, um welche Forderungen es geht. Wenn in einem Mahnbescheid ein nicht näher aufgegliederter Geldbetrag gefordert wird, tritt die Hemmungswirkung ein und dauert fort, wenn später dargelegt wird, wie sich die Klagesumme zusammensetzt. Auch ein zunächst fehlerhafter, dann aber berichtigter Mahnantrag kann fristwahrend die Verjährung hemmen.