Rz. 69
Rz. 70
Beispiel 5.6
F wurde am 12.1.1989 durch einen Verkehrsunfall schwer verletzt. Ein Feststellungsurteil vom 6.5.1990 sichert dem F Anspruch auf Ersatz ihm entstehender künftiger Verdienstausfallschäden.
F arbeitet mittlerweile wieder. Er erhält sein Gehalt jeweils am 15. des laufenden Monates (= arbeitsvertraglicher Fälligkeitstermin) ausgezahlt.
F hat unfallbedingt einen Minderverdienst, der Schaden entsteht Monat für Monat zum gleichen Tag (Gehaltszahlung). Diesen Schaden hat F bislang nicht geltend gemacht.
Ergebnis:
Verjährung tritt in 4-jährigem bzw. (ab 1.1.2002) 3-jährigem Abstand zur Schadenentstehung am jeweiligen 31.12., 24:00 h ein.
Rz. 71
Ob eine Norm, die zu einer Änderung der Verjährungsvorschriften führt, in Fällen anzuwenden ist, in denen die Verjährungsfrist noch läuft, richtet sich nach den Grundsätzen des intertemporalen Privatrechts (Rdn 19).
Rz. 72
Der BGH versteht Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 2 EGBGB so, dass es bei dem Fristablauf nach früherem Recht (vor 1.1.2002) bleibt, wenn die nach altem Recht längere Frist (vier Jahre) früher abläuft als die kürzere Frist nach neuem (ab dem 1.1.2002 geltenden) Recht. Der BGH hat daher den Schadensersatzanspruch wegen entgangener Zinsgewinne nach §§ 197, 201 BGB a.F. für die Jahre 1998 – 2006 als verjährt angesehen. Liegt der Haftungsgrund vor der Gesetzesänderung zum 1.1.2002, bleibt es für (wiederkehrendende) Forderungen auch in der Zeit nach 1.1.2002 bei der Anwendung des § 197 BGB a.F. Der BGH führt aus:
Rz. 73
Zitat
Rn 39
Von dem Stammanspruch zu unterscheiden sind aber die Ansprüche auf Rückstände von regelmäßig wiederkehrenden Leistungen. Für solche Einzelansprüche gilt […] für den Zeitraum bis zum 31.12.2001 die 4-jährige Verjährungsfrist gemäß § 197 BGB a.F. Dem bis dahin geltenden Gesetz ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass in dem Fall, in dem wiederkehrende Leistungen als Schadensersatz wegen einer vertraglichen Pflichtverletzung oder wegen einer unerlaubten Handlung zu erbringen sind, für den Beginn und die Dauer der Verjährung die für die Verjährung des Stammanspruchs geltende Vorschrift des § 195 BGB a.F. anzuwenden sei, wonach der Anspruch in 30 Jahren ab der Entstehung des Anspruchs verjährt. Vielmehr gilt für die aus dem Stammrecht fließenden weiteren Ansprüche, bei denen es sich um Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen handelt, unmittelbar die 4-jährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F., und zwar auch dann, wenn sie auf den Gesichtspunkt des Schadensersatzes gestützt werden, sei es aus unerlaubter Handlung, sei es aus Verschulden bei Vertragsschluss, sei es aus § 286 I, § 288 II BGB a.F.
Rn 40
Ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung entgangenen Zinsgewinns aus einem bestimmten Geldbetrag ist zwar kein Anspruch auf Rückstände von Zinsen i.S.d. § 197 BGB a.F. Er fällt aber ähnlich wie ein Anspruch auf Verzugszinsen und der über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehende Zinsanspruch oder wie in regelmäßigen Abständen entstandene Bereicherungsansprüche auf Rückzahlung überzahlter Zinsen oder auf Herausgabe von Zinsnutzungen aus einem Geldbetrag deshalb in den Anwendungsbereich des § 197 BGB a.F., weil er auf "regelmäßig wiederkehrende Leistungen" i.S. dieser Vorschrift gerichtet ist. Gemeint sind damit unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 197 BGB a.F., der eine Ansammlung rückständiger wiederkehrender Leistungen und ein übermäßiges, möglicherweise existenzbedrohendes Anwachsen von Schulden verhindern will, alle Verbindlichkeiten, die nur in den fortlaufenden Leistungen bestehen und darin ihre charakteristische Erscheinung haben. Um eine solche Verbindlichkeit handelt es sich bei der aus einer Aufklärungspflichtverletzung herrührenden Verpflichtung des Schädigers, die dem Geschädigten entgangenen Zinsgewinne fortlaufend an diesen zu zahlen.
[…]
Rn 43
Der Schadensersatzanspruch wegen entgangener Anlagezinsen für die Jahre 1998 – 2006 unterfällt zwar nach Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts am 1.1.2002 der 3-jährigen Regelverjährung des § 195 BGB n.F. (Art. 229 § 6 I 1 EGBGB). Da diese Verjährungsfrist kürzer ist als die bis zum 1.1.2002 geltende 4-jährige Verjährung des § 197 BGB a.F., ist sie gemäß Art. 229 § 6 IV 1 BGB vom 1.1.2002 an zu berechnen, soweit nicht der Verjährungsbeginn gemäß § 199 I Nr. 2 BGB hinausgeschoben ist. Angesichts seiner nicht vor Beginn des Jahres 2008 eingetretenen Kenntnis wäre der Anspruch des Klägers demgemäß nach neuem Recht nicht verjährt. Gemäß Art. 229 § 6 IV 2 EGBGB bleibt es jedoch bei dem Ablauf der Verjährung nach früherem Recht, wenn die nach altem Recht längere Frist früher abläuft als die kürzere Frist nach neuem Recht. Dies ist hier der Fall. Gemäß §§ 197, 201 BGB a.F. ist der Schadensersatzanspruch wegen entgangener Zinsgewinne für die Jahre 1998 – 2006 jeweils 4 Jahre später zum Jahresende verjährt, zuletzt daher mit Ablauf des 31.12.2010.