Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
A. Allgemeines
Rz. 1
Das nachfolgende Kapitel zur anwaltlichen Vergütung in Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren dient vorrangig dazu, dem Neuling oder schwerpunktmäßig im Verkehrszivil- oder Verwaltungsrecht tätigen Praktiker, der mit Strafsachen und Ordnungswidrigkeiten nur selten in Berührung kommt, einen ersten Überblick über Besonderheiten der Abrechnung zu vermitteln. Die Ausführungen erheben daher ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern wollen als Versuch der Abrundung der Gesamtdarstellung verstanden werden.
Der größte Unterschied zur zivilrechtlichen bzw. zur verwaltungsrechtlichen Tätigkeit ist, dass das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht keine Satzrahmengebühren, sondern Betragsrahmengebühren vorsieht. Der Anwalt bestimmt seine Gebühr, soweit eine Vergütungsvereinbarung (z.B. Zeit- oder Pauschalhonorar) nicht geschlossen wurde, unter Ausübung billigen Ermessens nach den Kriterien des § 14 RVG aus einer betragsmäßig festgelegten Betragsunter- sowie einer Betragsobergrenze. Für die Bestimmung des Honorars sind auch hier die Gesamtumstände des Falles, insbesondere die Bedeutung und dem Umfang der Sache, der Schwierigkeit der Tätigkeit und die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Auch ein besonderes Haftungsrisiko kann mit einbezogen werden.
B. Verkehrsstrafrecht
I. Vergütungsvereinbarung
Rz. 2
Auch im Rahmen der strafrechtlichen Mandatierung haben Mandant und Anwalt die Möglichkeit, eine Vergütungsvereinbarung zu treffen, was heute weit verbreitet ist. Es kommen also insbesondere Zeithonorare und Pauschalhonorare in Betracht. Greift man auf Pauschalhonorare zurück, so bietet es sich an, diese nach Verfahrensabschnitten zu gliedern, z.B. der Tätigkeit im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, im erstinstanzlichen Verfahren sowie im Rahmen etwaiger eingelegter Rechtsmittel. Da mündliche Verhandlungen vor Strafgerichten mitunter sehr lange dauern können, wäre es zudem denkbar und im Interesse des Anwalts, sich jeden Verhandlungstag vor Gericht gesondert honorieren zu lassen.
Der Phantasie der Beteiligten sind letztlich kaum Grenzen gesetzt, wenn auch die Vorgaben an die Transparenz der Vergütungsvereinbarung (AGB-Recht) einzuhalten sind und kein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen darf. Gerade im Strafrecht kann sich – in Anbetracht der bei Mandanten, die mit freiheitsentziehenden Maßnahmen konfrontiert sind, häufig vorherrschenden Drucksituation – die bereits im Verkehrszivilrecht angesprochene Frage der sittenwidrigen Drohung stellen. Allerdings muss auch hier klar betont werden, dass ein Anwalt nicht gezwungen werden kann, zu einem bestimmten, dem Mandanten angemessen erscheinenden Gebührensatz zu arbeiten. Die Absicherung des Mandanten ergibt sich hier bereits dadurch, dass in Fällen der notwendigen Verteidigung (§ 140 StPO) ein Pflichtverteidiger bestellt werden muss.
Rz. 3
Wiederum müssen Mandanten mit einer (Verkehrs-)Rechtsschutzversicherung – darauf hingewiesen werden, dass der Versicherer Gebühren, welche über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen, nach den ARB nicht erstattet. Zudem ist der Mandant darüber zu informieren, dass die Erstattungspflicht sich auch im Strafrecht auf die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung beschränkt: Kosten, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgehen, sind daher von der Staatskasse auch bei einem Freispruch nicht zu erstatten. Zudem wird eine Erstattung bei rechtskräftiger Verurteilung wegen einer Vorsatztat in aller Regel ausscheiden; der Mandant muss dann mit einer Rückforderung durch seine Rechtsschutzversicherung rechnen.
II. Abrechnung nach RVG
Rz. 4
Die Abrechnung strafrechtlicher Mandate nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erfolgt nach Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses.
1. Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG)
Rz. 5
Für die erstmalige Einarbeitung in die Angelegenheit erhält der Anwalt, unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt er mandatiert wird, eine Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. Sie fällt stets nur einmal an und liegt beim Wahlanwalt zwischen 44,00 EUR und 396,00 EUR, woraus sich eine Mittelgebühr für durchschnittliche Fälle von 220,00 EUR ergibt.
Befindet sich der Mandant nicht auf freiem Fuß (Vorb. 4 Abs. 4 zu Teil 4 VV), fällt die Gebühr mit Zuschlag nach Nr. 4101 VV RVG an, d.h. sie kann einem Rahmen von 44,00 EUR bis 495,00 EUR (Mittelgebühr: 269,50 EUR) entnommen werden. Soweit der Anwalt sich im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens bereits einmal in die Angelegenheit eingearbeitet hatte (Nr. 5100 VV RVG), wird die dort angefallene Gebühr auf die Gebühr nach Nr. 4100 VV RVG angerechnet; dies verdeutlicht die Intention des Gesetzgebers, wirklich nur die erstmalige Einarbeitung zu honorieren, ganz unabhängig davon, welches Schicksal das Verfahren im weiteren Verlauf nimmt.
2. Vorbereitendes Verfahren (Nrn. 4104 f. VV RVG)
Rz. 6
Wird der Anwalt während des vorbereitenden Verfahrens (das ist der Abschnitt zwischen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bis zum Erlass einer abschließenden Verfügung) tätig, erhält er eine Verfahrensgebühr ...