Rz. 13
Bereits mit dem Tod des Erblassers hat auch der Nacherbe eine eigene erbrechtliche Rechtsstellung. Er ist mit Blick auf seine künftige Erbenstellung Inhaber eines Anwartschaftsrechts an der Erbschaft.
Rz. 14
Vorbehaltlich anderweitiger Anordnungen des Erblassers ist die Nacherbenanwartschaft vererblich und übertragbar (§ 2108 Abs. 2 BGB). Mitnacherben- und Alleinnacherben können während der Zeit der Vorerbschaft analog § 2033 Abs. 1 BGB über ihr Anwartschaftsrecht verfügen. Das Anwartschaftsrecht erstreckt sich jedoch auf den Gesamtnachlass oder auf den Erbteil auf den er berufen ist, nicht auf einzelne Nachlassgegenstände. Eine Übertragung oder ein Verzicht auf ein Anwartschaftsrecht an einzelnen Nachlassgegenständen ist daher ausgeschlossen.
Rz. 15
Die Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft kann durch eine ausdrückliche Ersatznacherbenbenennung ausgeschlossen sein. Das Verhältnis zwischen Vererblichkeit und Ersatzerbenbenennung ist durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu klären. Eine allgemein gültige Regel lässt sich jedoch nicht formulieren. Es ist stets eine Einzelfallentscheidung anhand der konkreten Umstände zu treffen. Dem Erblasser ist daher zu raten, die Ersatzerbenbenennung eindeutig zu formulieren. Überzeugend sind folgende Formulierungsempfehlungen von J. Mayer
Formulierungsbeispiel: Ersatzerbenbenennung
Abweichend von anders lautenden gesetzlichen Auslegungs-, Vermutungs- und Ergänzungsregeln und anderen gesetzlichen Bestimmungen wird zum (alleinigen) Ersatz(nach)erben bestimmt (…).
und Kössinger:
Formulierungsbeispiel: Vererbung und Übertragung
Die Nacherbenanwartschaft ist weder vererblich noch veräußerlich, ausgenommen die Veräußerung an den Vorerben. In diesem Fall entfällt auch jede ausdrückliche oder stillschweigende Ersatznacherbeinsetzung.
Rz. 16
Sind mehrere Nacherben berufen, bilden diese vor Eintritt des Nacherbfalls keine Erbengemeinschaft. Eine gesamthänderische Bindung kommt nicht in Betracht. Sie können – und müssen – ihre Rechte jeweils selbst geltend machen. Sie sind zu Leistungsforderungen an sich selbst berechtigt. Erbringt ein Vorerbe eine Leistung gegenüber einem Nacherben, erlischt diese nur demjenigen Nacherben gegenüber. Umgekehrt müssen Mitwirkungshandlungen von jedem Nacherben verlangt werden.
Rz. 17
Eine Ausnahme von der Eigenverantwortlichkeit jedes Nacherben wird für die Pflicht zur Erstellung eines Verzeichnisses über den Bestand des Nachlasses nach § 2121 Abs. 1 BGB diskutiert. § 2121 Abs. 1 BGB schafft im Interesse von Vor- und Nacherben ein Beweismittel, welches die vermögensrechtliche Abwicklung zwischen Vor- und Nacherben nach Eintritt des Nacherbfalls ermöglichen soll. Den Anspruch können Nacherben während der gesamten Zeit der Vorerbschaft geltend machen, soweit der Anspruch nicht nach § 199 Abs. 3a BGB verjährt ist. Er erlischt erst mit Eintritt des Nacherbfalls. Der Anspruch auf Erstellung des Verzeichnisses ist grundsätzlich einmalig, d.h. ein Nacherbe kann das Verzeichnis nach § 2121 Abs. 1 BGB während der Vorerbzeit nur einmal fordern, der Vorerbe wiederum ist nur zur einmaligen Erstellung des Verzeichnisses verpflichtet. Daraus folgern Muscheler und Grunsky, dass bei mehreren Nacherben nur einer zur Forderung des Verzeichnisses berechtigt sei. Ansonsten würde der eigentlich einmalige Anspruch vervielfältigt. Diese Ansicht führt jedoch dazu, dass vom zufälligen Zeitpunkt des Verlangens entscheidende Merkmale des Verzeichnisses abhingen. Das Verzeichnis ist auf die Erstellung zu datieren. Durch Kollusion zwischen Vor- und Nacherben könnte die Hinzuziehung von einzelnen Nacherben (§ 2121 Abs. 2 BGB) genauso verhindert werden wie die Erstellung eines notariellen Verzeichnisses (§ 2121 Abs. 3 BGB). Mangels Gesamtgläubigerstellung gibt es keine Ausgleichsvorschriften für die Nacherben untereinander, weshalb es zu erheblichen Benachteiligungen einzelner Nacherben kommen kann. Jeder Nacherbe muss daher zu unterschiedlichen Zeiten die Erstellung eines Verzeichnisses über den Bestand des Nachlasses verlangen können.
Rz. 18
Der Nacherbe kann bereits mit Eintritt des Erbfalls seine Erbschaft ausschlagen, d.h. nicht erst mit Eintritt des Nacherbfalls (§§ 2306 Abs. 1, 2142 Abs. 1 BGB). Die sechswöchige Ausschlagungsfrist beginnt dagegen erst mit Eintritt des Nacherbfalls. Der Nacherbe kann daher sofort ausschlagen, muss dies aber nicht, §§ 2139, 1944 Abs. 2 S. 1 BGB. Eine frühe taktische Ausschlagung empfiehlt sich vor allem für einen pflichtteilsberechtigten Nacherben, wenn der Erblasser den Vorerben von den Verfügungsbeschränkungen umfassend befreit hat. Nach dem Motto "Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach" kann der Nacherbe sich so zumindest seine Mindestbeteiligung am Nachlass sichern.
Hinweis
Für die Ausschlagung von Vor- und Nacherben zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nach § 2306 BGB ist zu beachten, dass die Verjährungsfrist des Pflichtteilsanspruchs bereits mir ...