Rz. 12

Wann es sich um eine von vornherein aussichtslose Ermittlungsbemühung handelt, ist eine Frage des Einzelfalls. Folgende von der Rechtsprechung entschiedene Anknüpfungspunkte können hier für die Argumentation herangezogen werden:

Es kann sich beispielsweise nach Vorlage des Passfotos des dem Halter ähnlich sehenden Bruders, der als Fahrer in Betracht kommt, eine persönliche Anhörung des Bruders aufdrängen. Es kann nämlich nicht von vornherein unterstellt werden, eine Befragung des Bruders des Kfz-Halters werde hinsichtlich der Täterschaft ergebnislos bleiben.[12]
Im Fall der kurzfristigen Überlassung eines Fahrzeugs an einen Unbekannten oder an eine Person, die dem Halter zwar bekannt ist, von der er aber nur den Vornamen kennt und nicht zuverlässig in der Lage ist, zu ihr erneut Kontakt aufzunehmen, muss der Halter die genaue Identität des Fahrzeugführers vorher feststellen und dokumentieren.[13]
Wohnt der Halter mit anderen Personen zusammen, die das Fahrzeug gefahren haben können, so müssen diese im Regelfall befragt werden. Mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist es aber nicht geboten, in der Nachbarschaft des von der Fahrtenbuchauflage Betroffenen weitere Ermittlungen unter Vorlage des Radarfotos anzustellen.[14]
Es reicht nicht aus, dass die behördlichen Ermittlungen lediglich tatsächlich möglich sind; sie müssen auch rechtlich zulässig sein (Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung wegen fehlender rechtlicher Verwertbarkeit der Feststellungen).[15]
Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage ist rechtswidrig, wenn die Behörde ihrer Verpflichtung zu angemessenen und zumutbaren Schritten zur Ermittlung des Täters einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht nachkommt. Dies ist der Fall, wenn sie den Halter eines Kfz im Ordnungswidrigkeitenverfahren, der offenkundig als Fahrer ausscheidet, nicht als Zeugen, sondern als Betroffenen anhört.[16] Im Gegensatz zur Anhörung als Betroffener ist wegen des dann bestehenden Aussageverweigerungsrechts der Halter bei der Anhörung als Zeuge grundsätzlich zur Aussage und damit zur Mitwirkung an der Aufklärung verpflichtet.[17]
Eine Unmöglichkeit der Täterermittlung ist in diesem Zusammenhang regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich der befragte Fahrzeughalter erkennbar weigert, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes sachdienlich mitzuwirken.[18] Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshof Baden Württemberg[19] darf dabei entscheidend darauf abgestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Betroffenen der Bußgeldbehörde mitgeteilt hat, dass eine Stellungnahme zur Sache nicht abgegeben wird.
Bei Motorradfahrern darf auch davon abgesehen werden, Lichtbilder von dem den Verkehrsverstoß begehenden Fahrer zu fertigen, weil diese aufgrund der Helmpflicht nicht zur Identifikation des Fahrzeugführers beitragen.[20]
Die Vernehmung eines Kfz-Halters als Zeuge zur Frage, wer sein Fahrzeug zum Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes geführt hat, ist keine angemessene und der Behörde zumutbare Aufklärungsmaßnahme, wenn der Halter im Anhörungsbogen keine Angaben zur Sache gemacht hat und damit die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes erkennbar ablehnt.[21]
Die Ermittlungen sind mit angemessener Sorgfalt und zwar unverzüglich aufzunehmen, wobei der Halter binnen weniger Tage, regelmäßig innerhalb von zwei Wochen, über den Verstoß zu befragen ist, um die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten zu können. Bereits nach 15 Tagen kann die Erinnerung an eine bestimmte Fahrt so verblasst sein, dass auch ein auskunftswilliger Halter nicht mehr in der Lage ist, den in Frage kommenden Fahrer zuverlässig anzugeben.[22] Die Frist beruht auf dem Erfahrungssatz, wonach Personen Vorgänge nur einen begrenzten Zeitraum erinnern oder rekonstruieren können. Die Überschreitung der Zweiwochenfrist führt aber nicht zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit einer Fahrtenbuchauflage. Die Zweiwochenfrist ist kein formales Tatbestandskriterium der gesetzlichen Regelung und keine starre Grenze.[23]
Lehnt der Halter innerhalb der 14 Tagesfrist erkennbar die Mitwirkung an den Ermittlungen ab, so ist es – wie oben bereits festgestellt – der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.[24]

Die Zweiwochenfrist gilt nicht, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung durch die verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist (fehlende Kausalität) oder wenn die spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt:

Wird der Verstoß dem Betroffenen erst mehr als zwei Wochen nach der Tat mitgeteilt und steht fest, dass die verspätete Mitteilung über den zugrunde liegenden Verkehrsverstoß keinen Einfluss auf die Erfolglosigkeit der Fahrerermittlung hatte, so ist die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage nicht rechtswidrig. Verzögerungen bei der Anhörung des Fahrzeughalters stehen der Anordnung einer Fahrtenbuchaufl...

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