Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 6
Eine zweite Verlängerung (oder gar eine weitere) ist gemäß § 225 Abs. 2 ZPO nur nach Anhörung des Gegners zulässig. Die Anhörung kann durch den Vorsitzenden telefonisch erfolgen. Zur Vereinfachung kann der Antragsteller vom Antragsgegner telefonisch dessen Zustimmung zur weiteren Fristverlängerung erbitten und dessen Einverständnis dann dem Gericht gegenüber in der Antragsschrift versichern: "im versicherten Einverständnis des Gegners …"
Hat der Gegner der Fristverlängerung zugestimmt, kann der Anwalt regelmäßig davon ausgehen, dass die Berufungsbegründungsfrist – auch erneut – verlängert werden wird. Die Bewilligung der Fristverlängerung hängt auch bei der wiederholten Fristverlängerung nicht davon ab, dass der Rechtsmittelführer hierfür erhebliche Gründe geltend machen kann, die er deshalb auch nicht darlegen muss. Das Vertrauen in die Gewährung einer wiederholten Fristverlängerung ist im Regelfall erst erschüttert, wenn aus Sicht eines Rechtsmittelführers Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens trotz der Einwilligung zu einer Ablehnung der begehrten Fristverlängerung führen kann. Das kann z.B. der Fall sein, wenn der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist missbräuchlich ist oder der Rechtsstreit nach Ablauf der zweifach verlängerten Frist (nunmehr) der Beschleunigung bedarf. Dieses Vertrauen in eine weitere Verlängerung bei Einverständnis des Gegners soll selbst dann nicht erschüttert sein, wenn das BerGer in der Entscheidung über den vorangegangenen Fristverlängerungsantrag festgehalten hat, dass es sich um die "letztmalige" Fristverlängerung handele, vgl. BGH NJOZ 2023, 1109:
Zitat
Ein Berufungsführer darf grundsätzlich davon ausgehen, dass das Berufungsgericht bei einer Einwilligung des Gegners in eine weitere Fristverlängerung sein Ermessen erneut pflichtgemäß ausüben werde, ohne sich an die Kundgabe der vorangegangenen Fristverlängerung als "letztmalig" zu halten oder wegen dieser Kundgabe andere Maßstäbe an die Begründetheit des Fristverlängerungsantrags anzulegen als die gesetzlich vorgegebenen.
Die Fristverlängerung wird insbesondere dann großzügig und auch weiträumig gewährt, wenn ein Vergleichsabschluss in Aussicht gestellt wird. Der BGH erachtet es für nicht ausreichend, wenn der Antrag auf eine erneute Verlängerung mit dem Hinweis beantragt wird, dass Vergleichsverhandlungen noch nicht abgeschlossen seien. Auch ist gerichtsbekannt, dass der Antrag auf eine weitere Verlängerung häufig nur deshalb gestellt wird, weil der Mandant den Kostenvorschuss noch nicht eingezahlt hat; es ist selbstverständlich das gute Recht des Anwaltes ohne einen Kostenvorschuss nicht tätig werden zu wollen; aber das Gericht braucht seinem säumigen Mandanten nicht durch weitere Fristverlängerungen – zulasten des Gegners – entgegenzukommen.
BGH NJW 1996, 1350:
Zitat
Hat ein Rechtsanwalt Fristverlängerung für die Frist zur Begründung der Berufung beantragt und ist davon auszugehen, dass ihm diese zu gewähren wäre, so muss er grundsätzlich den von ihm selbst beantragten Verlängerungszeitraum einhalten, auch wenn er die Fristverlängerung ohne Verschulden verspätet beantragt hat. […] Es steht ihm dafür aber als Mindestfrist die des § 234 Abs. 1 ZPO zur Verfügung.
BVerfG NJW 2000, 944:
Zitat
Es verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, wenn im Zivilprozess der zweite Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist unter Hinweis auf § 225 Abs. 2 ZPO allein mit der Begründung abgelehnt wird, der Prozessgegner habe der erneuten Verlängerung nicht zugestimmt.