Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 8
Falls der Gegner Widerspruch gegen den erlassenen Mahnbescheid bzw. Einspruch gegen den erlassenen Vollstreckungsbescheid einlegt und es daraufhin zum Zivilprozess kommt, wird gemäß der Anmerkung zu Nr. 3305 VV RVG die entstandene Mahnverfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet, die im nachfolgenden Prozess entsteht. Dies gilt natürlich nur, wenn der mit dem Mahnverfahren beauftragte RA auch den Prozessauftrag erhält, nicht aber bei Anwaltswechsel. Ein anderer RA erhält selbstständige Gebühren. Da im Regelfall bei Beantragung des Mahnbescheids das Häkchen gesetzt wird, dass im Falle des Widerspruchs die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt wird, entsteht die Verfahrensgebühr für den Prozess in diesem Fall, wenn nach der Einlegung des Widerspruchs das Amtsgericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt bzw. den Rechtsstreit an das im Mahnbescheidsantrag bezeichnete Gericht abgibt. Auch mit der Einlegung des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid endet das Mahnverfahren (§ 700 Abs. 3 ZPO) und beginnt der Prozess.
Der Gesetzgeber gibt folgende Begründung für die Anrechnung: Das Mahnverfahren soll in vielen Fällen einen Prozess ersparen, daher wünscht der Gesetzgeber nicht, dass durch die Vorschaltung des Mahnverfahrens vor den Zivilprozess höhere Gebühren entstehen, als wenn gleich eine Klage eingereicht worden wäre. Auch bedeutet das Ausfüllen des Antrages für das Mahnverfahren keine erhebliche Mehrarbeit für den RA. Deshalb soll der RA für das Betreiben des Geschäfts in diesem Fall insgesamt nur eine Verfahrensgebühr erhalten.
Beispiel 1 a):
RA Fleißner hat den Auftrag, einen Kaufpreis von 900,00 EUR im Mahnverfahren einzufordern. Der Antragsgegner legt gegen den ihm zugestellten Mahnbescheid Widerspruch ein. Nachdem das Gericht, an das der Rechtsstreit abgegeben wurde, einen Verhandlungstermin anberaumt hat, zahlt der Schuldner. Die Mahnverfahrensgebühr wird auf die jetzt entstehende Verfahrensgebühr des Prozesses angerechnet. RA Fleißner erhält für seine Tätigkeit nun insgesamt folgende Vergütung, wobei unterstellt wird, dass die Vergütung für das Mahnverfahren noch nicht berechnet wurde.
Nachstehende Berechnung ist ein Beispiel, wie NICHT abgerechnet werden sollte:
Gegenstandswert: 900,00 EUR
1,3 |
Verfahrensgebühr für Prozess und Mahnverfahren gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 und Anmerkung zu Nr. 3305 VV RVG* |
114,40 EUR |
20 % |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte (für Mahnverfahren)** gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG |
17,60 EUR |
20 % |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte (für Prozess)** gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
|
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152,00 EUR |
19 % |
USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG |
28,88 EUR |
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108,88 EUR |
* |
Die Mahnverfahrensgebühr wird angerechnet, d. h., sie geht in der Verfahrensgebühr für den Prozess unter. |
** |
Die Auslagenpauschale entsteht in jeder Angelegenheit. Mahnverfahren und Prozess sind eindeutig zwei Angelegenheiten (§ 17 Ziff. 2 RVG). Im Mahnverfahren beträgt die – angerechnete – Verfahrensgebühr 80,00 EUR, davon 20 % für die Postauslagenpauschale sind 17,60EUR. Die Auslagenpauschale für den Prozess ergibt sich aus der Verfahrensgebühr vor Anrechnung (höchstens 20,00 EUR). Bei dieser Art der Berechnung wird nicht beachtet, dass es sich um zwei Angelegenheiten handelt, die jeweils getrennt abgerechnet werden sollten. Beachten Sie auch den Hinweis zur Auslagenpauschale in Rdn 31 ff. |
Rz. 9
Die Vergütungsrechnung in Beispiel 1 a) wurde insbesondere deshalb so dargestellt, weil so etwas praktisch schon mal vorkommt. Nach dem RVG ist für den Ausgangsfall dringend zu empfehlen, die Vergütung nur gemäß nachstehendem Beispiel 1 b) abzurechnen.
Beispiel 1 b):
Wie vorstehender Fall in Beispiel 1 a). Jedoch mit einer etwas umständlicher aussehenden Berechnung der Vergütung, die allerdings berücksichtigt, dass Mahnverfahren und anschließender Zivilprozess zwei verschiedene Angelegenheiten sind. Jede Angelegenheit muss für sich abgerechnet werden. Deshalb ist diese Lösung dem Beispiel 1 a) vorzuziehen.
I. Mahnverfahren
Gegenstandswert: 900,00 EUR
1,0 |
Verfahrensgebühr im Mahnverfahren gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3305 VV RVG* |
88,00 EUR |
20 % |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte (für Mahnverfahren)** gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG |
17,60 EUR |
|
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105,60 EUR |
19 % |
USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG |
20,06 EUR |
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125,66 EUR |
II. Zivilprozess
Gegenstandswert: 900,00 EUR
1,3 |
Verfahrensgebühr im Prozess gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG |
114,40 EUR |
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|
hierauf ist nach der Anmerkung zu Nr. 3305 VV RVG anzurechnen:* |
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1,0 |
Verfahrensgebühr im Mahnverfahren gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3305 VV RVG |
– 88,00 EUR |
26,40 EUR |
20 % |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte (für Prozess)** gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG |
|
20,00 EUR |
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46,40 EUR |
19 % |
USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG |
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8,82 EUR |
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55,22 EUR |
* |
Die Mahnverfahrensgebühr wird angerechnet, d. h., sie ge... |