Rz. 10

Angesichts des beklagenswerten Sanierungsstaus eines Großteils der älteren Wohnungseigentumsanlagen und der zunehmenden Notwendigkeit von Maßnahmen der energetischen Modernisierung stehen aufwändige Baumaßnahmen deutschlandweit (im sprichwörtlichen und im Wortsinne) auf der Tagesordnung. Allerdings reicht die Erhaltungsrücklage typischer Weise zur Finanzierung nicht aus, sodass das Geld von den Wohnungseigentümern per Sonderumlage aufgebracht werden muss, die dazu aber häufig nicht in der Lage sind. Wenn sich mehrere Eigentümer als zahlungsunfähig erweisen oder (z.B. altersbedingt) unwillig sind, kommen die für eine Gebäudesanierung erforderlichen Beschlüsse faktisch nicht zustande. Die Aufnahme eines Darlehens durch die Gemeinschaft (kurz: Verbandsdarlehen oder Verbandskredit) stellt einen zunehmend praktizierten Ausweg aus dieser Situation dar.[16]

 

Rz. 11

Nach einer Grundsatzentscheidung des BGH[17] entspricht der Beschluss einer Darlehensaufnahme ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn es um dringende Erhaltungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen geht, die ohne die Aufnahme eines Verbandsdarlehens unterbleiben würden. Dabei spielt es auch eine Rolle, dass staatliche Förderprogramme für energetische Sanierungen häufig in Form zinsvergünstigter Darlehen mit Zuschüssen angeboten werden, die sich die Gemeinschaft zunutze machen kann, einzelne Miteigentümer mangels Kreditwürdigkeit hingegen nicht. Dass mit einer Kreditaufnahme Kosten verbunden sind, spricht für sich genommen nicht dagegen; Kosten würden auch anfallen, wenn die Wohnungseigentümer Einzelkredite aufnehmen. Der BGH verlangt in erster Linie Transparenz und Abwägung: "Den mit einer Darlehensaufnahme einhergehenden Belastungen und Risiken sind die Vor- und Nachteile einer Finanzierung mittels Sonderumlage gegenüber zu stellen. Ferner muss vor der Beschlussfassung wegen des in die Zukunft verlagerten Risikos der Zahlungsunfähigkeit einzelner Wohnungseigentümer die im Innenverhältnis bestehende Nachschusspflicht der Wohnungseigentümer Gegenstand der Erörterung in der Wohnungseigentümerversammlung gewesen sein. Dies ist in dem Protokoll der Eigentümerversammlung zu dokumentieren."[18] Es ist sinnvoll, die erforderlichen Informationen schon in den Beschlusstext aufzunehmen, denn damit sind sie quasi zwangsläufig auch Gegenstand der Erörterung und des Protokolls. Ein Darlehensbeschluss bedarf, wie die vorstehenden Hinweise zeigen, gründlicher Vorbereitung, zumal noch die umfassenden Informationspflichten für Verbraucherkredite gem. §§ 491 ff. BGB, § 18 KWG zu beachten sind. Die Einholung mehrerer Angebote ist aufgrund der Besonderheiten der WEG-Darlehen nicht zwingend.[19] "Gewöhnliche" Geschäftsbanken sind mit dem Thema häufig überfordert; es gibt aber zunehmend Banken, die sich auf WEG-Finanzierung spezialisiert haben.

 

Rz. 12

Der Darlehensbeschluss muss nicht zwingend eine Option für die Eigentümer enthalten, die Finanzierung selbst zu übernehmen ("Selbstfinanzierer") und sich intern aus dem Verbandskredit auszuklinken. Die Gemeinschaft kann eine solche Option aber vorsehen,[20] was durchaus ratsam ist, weil sie meistens von einigen Eigentümern gewünscht wird. In diesem Fall muss schon im Beschluss über die Darlehensaufnahme dauerhaft sichergestellt werden, dass das Darlehen intern nur von den "Darlehensnehmern" zurückgezahlt wird und die Selbstfinanzierer oder deren Rechtsnachfolger daran nicht beteiligt werden. Eine solche Regelung ist gem. §§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 2 S. 2 WEG möglich.[21] Dann wird das Darlehen (in Form einer monatlichen Annuität, die sich aus Zins und Tilgung zusammensetzt) zwar aus Gemeinschaftsmitteln an die finanzierende Bank zurückgezahlt; die Ausgaben werden in der Jahresabrechnung aber nicht auf alle Eigentümer, sondern nur auf die "Darlehensnehmer" verteilt.

 

Rz. 13

Muster 6.1: Beschluss zur Darlehensaufnahme

 

Muster 6.1: Beschluss zur Darlehensaufnahme

1. Zur Finanzierung der zu TOP 3 gefassten Beschlüsse in Höhe von voraussichtlich EUR 300.000 wird Folgendes beschlossen: In Höhe von 100.000 EUR werden die vorhandenen Mittel der Erhaltungsrücklage verwendet. In Höhe von 200.000 EUR wird eine Sonderumlage erhoben. Diese wird auf die einzelnen Wohnungen gemäß der beiliegenden Aufstellung (Druckdatum 26.7.2022) verteilt. Die Zahlungen auf die Sonderumlage sind 10 Tage nach Erhalt einer in Textform zu versendenden Zahlungsaufforderung des Verwalters fällig. Die Sonderumlage ist der Erhaltungsrücklage zuzuführen. Die Maßnahme wird aus der Erhaltungsrücklage finanziert.

2. Die unter Nr. 1 beschlossene Sonderumlage wird für die Eigentümer der Wohnungen Nr. 1–4, 7, 9–15 durch die Inanspruchnahme eines von der Wohnungseigentümergemeinschaft aufzunehmenden Bankdarlehens bei der X-Bank im Rahmen des KfW-BEG Wohngebäude Kredits (KFW Darlehensprogramms Nr. 261152 "Energieeffizient Sanieren") ersetzt. Soweit entsprechende Darlehensmittel gewährt und an die Wohnungseigentümergemeinschaft ausgezahlt werden, ermäßigt sich der auf den einzelnen Wohnungseig...

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