Rz. 44
In die Kategorie der Erhaltungsmaßnahmen gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG gehört die Herstellung eines erstmaligen ordnungsmäßigen und mangelfreien Zustands der Wohnanlage entsprechend der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan, vor allem also die Beseitigung von Baumängeln und Planungsfehlern. Wenn der Teilungserklärung keine Baubeschreibung beigefügt ist, kann es im Einzelfall schwierig sein, den "Soll-Zustand" des Gebäudes zu bestimmen. Im Aufteilungsplan verzeichnete oder angedeutete Gebäudedetails gehören jedenfalls nicht unbedingt dazu, weil der Aufteilungsplan nicht der Bestimmung des Bausolls dient; und auch nicht jedes in der Baugenehmigungsplanung verzeichnete Detail ist zwingend auszuführen. Richtigerweise sind die den Bauträgerverträgen zugrundliegenden Baubeschreibungen maßgeblich. Auch wenn Sondereigentumseinheiten aus baulichen oder rechtlichen Gründen nicht entsprechend ihrer Zweckbestimmung genutzt werden können (indem bspw. einer Kellerwohnung die Außenisolierung fehlt (→ § 12 Rdn 12) oder einer Dachgeschosswohnung der zweite Rettungsweg oder ein Stellplatz), gehören die dazu erforderlichen Maßnahmen zur mangelfreien Erstherstellung.
Rz. 45
Grundsätzlich kann jeder Wohnungseigentümer § 18 Abs. 2 WEG (§ 21 Abs. 4 WEG a.F.) von den übrigen Wohnungseigentümern verlangen, dass das Gemeinschaftseigentum plangerecht und mangelfrei hergestellt wird. Der Anspruch unterliegt nicht der Verjährung (→ § 6 Rdn 35). Er wird nur durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) begrenzt und kann deshalb entfallen, wenn seine Erfüllung den übrigen Wohnungseigentümern im Einzelfall nicht zuzumuten ist; in diesem Fall sind die Wohnungseigentümer grundsätzlich umgekehrt dazu verpflichtet, Teilungserklärung und Aufteilungsplan so zu ändern, dass diese der tatsächlichen Bauausführung entsprechen (→ § 1 Rdn 101). Hinsichtlich der Ausführung besteht ein gewisser Gestaltungsspielraum der Miteigentümer: Sie sind berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und Maßnahmen, die nicht zwingend erforderlich sind, ggf. zurückzustellen. Dieser Ermessensspielraum wird nicht selten gerade dann ausgereizt, wenn nur ein einzelner Miteigentümer von einem Baumangel beeinträchtigt wird; dann neigt die Eigentümermehrheit zum "Bummelstreik". Auch wenn offenkundig ist, dass eine mit Kosten verbundene Sanierung unumgänglich ist, wird bspw. zunächst mit mehreren Gutachten die Frage des Vorliegens eines Mangels untersucht; wenn sich dieser nicht mehr leugnen lässt, dessen Ursache gesucht, um sodann alle denkbaren Sanierungsvarianten zu erwägen, um dann endgültig nach Einholung von Vergleichsangeboten den Anbieter auszuwählen, der absehbar zu seinem Angebot nicht steht. Wartet man für jeden dieser Entscheidungsschritte bis zur nächsten regulären Eigentümerversammlung, kann von der Geltendmachung eines Bauschadens bis zu dessen Beseitigung schnell eine Dekade ins Land gehen. Wenn aber die sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich ist, hat ein einzelner Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Durchführung. Obwohl es für einen von einem Baumangel betroffenen Wohnungseigentümer oft schwer zu verstehen ist, muss er grundsätzlich die Tätigkeit der Gemeinschaft erzwingen. Ein Anspruch auf Ermächtigung zur Ersatzvornahme, um den Mangel selber beheben zu können, wird nur selten bejaht (→ § 6 Rdn 51). Reißt einem Wohnungseigentümer der Geduldsfaden und lässt er den Baumangel selbst beseitigen, hat er keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz (→ § 12 Rdn 19). Die Durchsetzung des Anspruchs auf Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen wird nachfolgend dargestellt.
Rz. 46
Beispiel: Schimmelbildung in der Wohnung
In der UG-Wohnung des Miteigentümers A bildet sich ständig Feuchtigkeit und Schimmel. A ist der Überzeugung, dass hierfür ein Mangel des Gemeinschaftseigentums (ungenügende Dämmung bzw. Vorliegen einer unzulässigen Wärmebrücke oder schadhafte Außenwandabdichtung) ursächlich ist und möchte, dass die Gemeinschaft den Mangel behebt.
Rz. 47
Als erstes sollte A den Mangel dem Verwalter anzeigen. Der Verwalter muss sich um die Ursachenklärung kümmern und – wenn ein Mangel sich bestätigt – die Mangelbeseitigung beauftragen, soweit seine Befugnisse dies zulassen (abhängig von der Höhe der Mangelbeseitigungskosten). Das gilt allerdings nicht, wenn es sich um einen ursprünglichen Baumangel handelt und der Bauträger noch in die Pflicht genommen werden kann – was dann aber auch geschehen muss (→ § 5 Rdn 65). Wenn es erforderlich ist, muss sich der Verwalter um eine entsprechende Beschlussfassung kümmern. Aber so läuft es in der Praxis nicht immer. Was kann A tun, wenn er vom Verwalter (der das Problem per Ferndiagnose beurteilt) zu hören bekommt, A möge nur ausreichend heizen und lüften, mehr sei nicht erforderlich?
Rz. 48
A kann versuchen, den Verwalter davon zu überzeugen, dass tatsächlich ein Baumangel vorliegt (damit anschließend der Verwalter sich um dessen Beseitigung kümmert) oder er kann da...