Rz. 624

Fall 1

Ein Mitarbeiter wird für drei Jahre nach Paris versetzt. Er erhält einen Arbeitsvertrag mit einer französischen Tochtergesellschaft. In Paris mietet er eine möblierte Fünf-Zimmer-Wohnung an, in die er mit seiner Frau und seinen drei Kindern einzieht. Die bisherige Familienwohnung in Deutschland wird beibehalten. Der Mitarbeiter meldet sich in Deutschland ab.

Frage:

Ist der Mitarbeiter in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig?

Lösung:

Der Mitarbeiter hat weiterhin einen Wohnsitz in Deutschland. Er verfügt hier über eine Wohnung. Die Umstände des Falls deuten auch auf eine Beibehaltung und Nutzung der inländischen Wohnung hin. Denn sie bleibt während der Auslandstätigkeit im Wesentlichen unverändert bestehen. Der Mitarbeiter unternimmt auch nichts, was auf eine Auflösung der Wohnung hindeutet, z.B. Kündigung des Mietvertrags.

Die Häufigkeit der tatsächlichen Nutzung der inländischen Wohnung während des Auslandsaufenthalts spielt keine entscheidende Rolle. Im Extremfall kann die tatsächliche Nutzung auch null Tage sein. Ebenso ist unerheblich, ob der Mitarbeiter hier angemeldet ist oder nicht.

Der Mitarbeiter ist damit in Deutschland weiterhin unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Ob er auch in Frankreich für die drei Jahre unbeschränkt steuerpflichtig ist, richtet sich nach den französischen Ansässigkeitsregeln. Falls die Ansässigkeit auch dort zu bejahen ist, droht für alle Einkünfte eine Doppelbesteuerung. Wie diese vermieden wird, regelt das DBA mit Frankreich.

Fall 2

Der Mitarbeiter A wohnt und arbeitet in Brasilien. Er wird für ein Projekt vom 01.09.01 – 31.05.02 nach Berlin abgeordnet. Er wohnt in dieser Zeit in einem einfachen Hotelzimmer. Vom 01.01.02 bis zum 31.01.02 nimmt er Heimaturlaub, den er in Brasilien verbringt. Anschließend kehrt er bis zum 31.05.02 zu dem Projekt nach Berlin zurück.

Frage:

Ist A in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig?

Lösung:

Gem. § 1 Abs. 1 EStG ist eine natürliche Person in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie hier einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Der Wohnsitz ist in § 8 AO geregelt. Einen Wohnsitz in Deutschland hat A nicht, da er schon nicht über eine Wohnung verfügt (es fehlt in dem Hotelzimmer eine Kochgelegenheit).

Allerdings hat er hier möglicherweise seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Das ist der Fall, wenn er sich zeitlich zusammenhängend länger als sechs Monate in Deutschland aufhält (§ 9 AO). Bei der Ermittlung der sechs Monate zählen kurzfristige Unterbrechungen mit. Fraglich ist hier, ob die einmonatige Unterbrechung des Aufenthalts noch kurzfristig ist. Nach der Rechtsprechung ist zur Entscheidung dieser Frage jeder Fall individuell zu prüfen. Entscheidend ist das Gesamtbild. Eine feststehende Regelung gibt es nicht. Allerdings wurde schon eine mehrwöchige Unterbrechung wegen eines Heimaturlaubs als noch kurzfristig qualifiziert. Der Fall ist daher tendenziell so zu entscheiden, dass die Unterbrechung noch als kurzfristig gilt. A hatte daher vom 01.09.01 bis 31.05.02 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Falsch wäre eine Betrachtung nach Kalenderjahren, in 01 nur vier und in 02 nur fünf Monate. § 9 AO stellt allgemein auf einen 6-Monats-Zeitraum ab und nicht auf das Kalenderjahr. A ist deshalb in der Zeit vom 01.09.01 bis 31.05.02 in Deutschland mit seinen weltweiten Einkünften steuerpflichtig.

Da er auch in Brasilien ansässig ist, unterliegt er dort ebenfalls der unbeschränkten Steuerpflicht. Es droht somit eine Doppelbesteuerung für alle Einkünfte. Dabei bleibt es möglicherweise, weil mit Brasilien zurzeit (Stand 2015) kein DBA besteht.

Fall 3

Der Mitarbeiter A wird für zwei Jahre nach OECD-Land versetzt, wo er nach dortigen Regeln ansässig wird. Der deutsche Arbeitsvertrag wird ruhend gestellt. Er unterzeichnet einen Arbeitsvertrag mit der Konzerngesellschaft in OECD-Land und wird auch von ihr bezahlt. Seine deutsche Wohnung gibt er auf. Er kommt jährlich eine Woche nach Deutschland, um hier geschäftliche Angelegenheiten der OECD-Konzerngesellschaft zu erledigen. Das entsprechende Gehalt wird deshalb nicht nach Deutschland belastet.

Fragen:

a) Ist A in Deutschland nach rein innerstaatlichem Recht einkommensteuerpflichtig?
b) Wie ist die Lage unter Berücksichtigung des OECD-MA?

Lösungen:

a) A hat in Deutschland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Er ist damit nicht unbeschränkt steuerpflichtig.

Er ist möglicherweise beschränkt steuerpflichtig wenn er inländische Einkünfte (aus deutschen Quellen) i.S.v. § 49 EStG hat. Gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4a EStG gelten Gehälter dann als inländische Einkünfte, wenn die dafür geleistete Arbeit im Inland ausgeübt wird. A übt seine Arbeit jährlich eine Woche physisch in Deutschland aus. Mit dem auf die Woche entfallenden Gehaltsteil ist er damit hier beschränkt steuerpflichtig. Er ist mit diesem Gehalt auch in OECD-Land steuerpflichtig, weil er dort ansässig ist (unbeschränkte Steuerpflicht). Es droht damit eine Doppelbesteuerung.

b) Das DBA ist anwendbar, weil A ...

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