Rz. 15
Mit hohen Streitwerten, wie sie gerade im Bereich erbrechtlicher Auseinandersetzungen häufig vorkommen, ist im deutschen Zivilprozessrecht stets auch ein erhebliches Kostenrisiko für die unterliegende Partei verbunden. So beläuft sich das Kostenrisiko bei einem Streitwert von (nur) 100.000 EUR in der ersten Instanz bereits auf 12.068,46 EUR. Wird dieser Rechtsstreit in der 2. Instanz weitergeführt, wird die dann unterliegende Partei mit insgesamt 26.236,06 EUR belastet. Bei einem Streitwert von 500.000 EUR ist von einem Kostenrisiko von 29.772,96 EUR (für die 1. Instanz) bzw. 65.376 EUR (für die 1. und die 2. Instanz) auszugehen. Oft werden hierzu noch weitere Gerichtskosten, insbesondere für Zeugen und Sachverständigengutachten hinzukommen, wodurch sich das Gesamtkostenrisiko beträchtlich erhöhen kann. Zudem sind an erbrechtlichen Streitigkeiten nicht selten mehr als nur jeweils ein Kläger und ein Beklagter beteiligt, was das Kostenrisiko noch weiter erhöht, insbesondere wenn sich diese Parteien von eigenen Rechtsanwälten vertreten lassen.
Rz. 16
Angesichts dieser Dimensionen, die im Einzelfall durchaus geeignet sind, die wirtschaftliche Existenz der unterliegenden Partei zu gefährden, jedenfalls aber deren Liquidität stark zu belasten geeignet sind, fällt es vielen Mandanten schwer, sich tatsächlich zur gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche durchzuringen. Dies gilt umso mehr, als eine Rechtsschutzversicherung gegen die finanziellen Risiken eines gerichtlichen Verfahrens gerade im erbrechtlichen Bereich nicht möglich ist.
Rz. 17
Seit vielen Jahren sind am deutschen Markt gewerbliche Prozessfinanzierungsunternehmen aktiv, die in derartigen Situationen gegebenenfalls bereit sind, dem Mandanten die finanziellen Prozessrisiken abzunehmen. An der rechtlichen Zulässigkeit der Prozessfinanzierung wird heute nicht mehr gezweifelt. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass es sich bei dem Finanzierungsvertrag um eine Innengesellschaft auf Grundlage der §§ 705 ff. BGB handelt. Selbstverständlich muss sich der konkrete Finanzierungsvertrag an die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften halten, darf also nicht eine sittenwidrig überhöhte Erfolgsbeteiligung enthalten oder etwa dazu dienen, berufsrechtliche Vorschriften wie das Verbot eines Erfolgshonorars für die bevollmächtigten Anwälte nach § 49b Abs. 2 BRAO zu umgehen. Auch nach der Neufassung dieser Vorschrift infolge der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit des § 49b Abs. 2 BRAO a.F. ist es dem Anwalt weiterhin verboten, dem Mandanten das Kostenrisiko hinsichtlich der Gerichtskosten oder der Kosten der Gegenseite abzunehmen. Der insoweit in Bezug genommene § 4a RVG lässt lediglich die Vereinbarung eines erfolgsorientierten Honorars des die Sache vertretenden Anwalts selbst zu, wenn der Mandant aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Laut Gesetzesbegründung ist hierbei auf den einzelnen Rechtsuchenden in seiner individuellen Lebenssituation abzustellen. Aufgrund dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Prozessfinanzierung gerade im Erbrecht ihre Berechtigung hat und weiter an Bedeutung gewinnen wird. Es sei dahingestellt, ob der Anwalt damit rechnen muss, dass ein unterlassener Hinweis auf die Möglichkeit, einer Prozessfinanzierung als Beratungsfehler gewertet werden kann. Jedenfalls wird der Anwalt, der sich auch als Dienstleister versteht, seine Mandanten auf die Möglichkeit einer Anfrage bei einem Prozessfinanzierer hinweisen, um diesen alle Möglichkeiten aufzuzeigen.