Rz. 31
Anders als bei einer ehebedingten Zuwendung des Familienheims i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG steht ein Erwerb von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 5 ErbStG) und die Abkömmlinge (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 5 ErbStG) unter einem Nachbesteuerungsvorbehalt. Der Steuerbescheid ist in diesen Fällen wegen eines Ereignisses, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat, nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Die Erbschaftsteuerbefreiung fällt demnach mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von 10 Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen daran gehindert.
Hinweis
Anders als im Pflichtteilsergänzungsrecht gem. § 2325 Abs. 3 BGB findet keine Abschmelzung statt. Ein Verstoß gegen die Behaltensfrist ist mithin im ersten oder zehnten Jahr gleichermaßen steuerschädlich.
Rz. 32
Als die Nachbesteuerung auslösende Handlung kommt insbesondere ein Verkauf, eine Vermietung, ein längerer Leerstand oder eine unentgeltliche Überlassung in Betracht. Der Erwerber ist verpflichtet, solche Vorgänge beim Finanzamt anzuzeigen. Nach Ansicht der Finanzverwaltung und dem BFH stellt auch eine lebzeitige Übertragung innerhalb der Zehnjahresfrist einen Verstoß gegen die Behaltensfrist dar, auch wenn sich der ursprünglich steuerprivilegierte Erwerber einen Nießbrauch vorbehält, auf dessen Grundlage er die Immobilie weiter selbst nutzt. Gleiches gilt auch im Rahmen einer Weiternutzung auf Grundlage eines (Rück-)Mietverhältnisses, z.B. bei einem Verkauf.
Eine (nur) teilweise Veräußerung, Übertragung (unter Vorbehaltsnießbrauch) oder Vermietung innerhalb der zehnjährigen Nutzungsfrist führt (nur) zu einem entsprechenden anteiligen Wegfall der Steuerbefreiung, da schon vom Zweck der Befreiungsvorschrift und der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der steuerlichen Begünstigung des Familienheims im Ergebnis nichts anderes gelten kann, als für ihre Gewährung zum Zeitpunkt des Erwerbs. Das Prinzip der anteiligen Freistellung ist im Rahmen des Wegfalls der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG fortzusetzen.
Rz. 33
Die Nachbesteuerung kann sich auch nur auf Teile des Grundstücks beziehen, wenn die Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken im Übrigen aufrechterhalten wird. Vermietet z.B. – wie nicht unüblich – der überlebende Ehegatte ein Zimmer an Dritte, fällt die Steuerbefreiung rückwirkend anteilig weg. Veränderungen am Grundstück allerdings sind nach Auffassung der Finanzverwaltung unbeachtlich, wenn sich der Umfang der Nutzung der Wohnung als Familienheim nicht verringert.
Rz. 34
Ein Verstoß gegen die Behaltensfrist ist gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 5, 4c S. 5 a.E. ErbStG unschädlich, wenn der Erwerber die Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken aufgibt, weil er aus objektiv zwingenden Gründen daran gehindert ist. Ein solcher Grund liegt in jedem Falle vor, wenn der Erwerber innerhalb des Zehnjahreszeitraums verstirbt.
Rz. 35
Nach Ansicht der Finanzverwaltung stellt der Auszug aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Pflegebedürftigkeit des Erwerbers keinen Verstoß gegen die Behaltensfrist dar, wenn diesem dadurch die Führung eines eigenen Haushalts nicht mehr möglich ist. In jedem Fall ausreichen muss hierfür der Nachweis der Pflegegrade 4 und 5 sein. In allen Fällen sollten auch hier ärztliche Bestätigungen eingeholt werden, die die Unmöglichkeit der eigenen Haushaltsführung bestätigen. Wirtschaftliche Gründe reichen grundsätzlich nicht aus, um eine objektiv zwingende Hinderung zu bejahen (siehe Rdn 26>).
Rz. 36
Mängel am Gebäude sind zwar nachvollziehbare Gründe für die Aufgabe der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken, aber keine zwingenden Gründe i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 5, Nr. 4c S. 5 a.E. Dies gilt auch für gesundheitliche Einschränkungen (z.B. das Obergeschoss kann nicht genutzt werden, da die Treppen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bestiegen werden können), solange die Möglichkeit besteht, dass der Haushalt weiterhin mit der Unterstützung Dritter geführt werden kann.
Auch wenn der Erbe auf ärztlichen Rat aufgrund einer Depressionserkrankung auszieht und das Familienheim deshalb nicht mehr als zehn Jahre zu eigenen Wohnzwecken nutzt, fällt die Privilegierung rückwirkend weg, da als "zwingende Gründe" nur solche in der Person des Erwerbers liegende Gründe in Betracht kommen, die das Führen eines Haushalts schlechthin – nicht nur im Familienheim – unmöglich machten.
Rz. 37
Liegt wegen objektiv zwingender Gründe kein Verstoß gegen die Behaltensfrist vor, kann die Immobilie (auch innerhalb des Zehnjahreszeitraums) verkauft, unentgeltlich überlassen oder vermietet werden. Allerdings ist nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Entfallen der Hinderungsgründe innerhalb der Zehnjahresfrist eine unverzügliche Wiederaufnahme der Nutzung durch den Erwerber zu eigenen Wohnzwecken notwendig, um eine Nachversteuerung zu verhindern. Wird z.B. die den Auszug...