Rz. 75

Beim Berliner Ehegattentestament setzen sich im Regelfall die Ehegatten gegenseitig zu alleinigen unbeschränkten Vollerben für den ersten Erbfall ein. Beim Tod des Schlusserben werden die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen als Miterben bestimmt. Hierdurch entstehen erbschaftsteuerrechtliche Nachteile, da die enterbten Kinder ihren persönlichen Freibetrag gem. § 16 ErbStG im ersten Erbfall mangels Miterbenstellung nicht ausnutzen. Weiter gibt es eine Bündelung nach dem ersten Erbfall des gesamten Vermögens beider Ehegatten beim Überlebenden. Es könnten jetzt Vermächtnisse für die Kinder nach dem ersten Erbfall ausgesetzt werden, da diese steuermindernd nach Bestimmung und Erfüllung nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzuziehen sind.[200] Nachteil ist, dass der überlebende Ehegatte nicht das gesamte Vermögen erhält. Die früher angewandte Alternative, ein Vermächtnis auf den Todesfall des Letztversterbenden anzuordnen, wurde nach § 6 Abs. 4 ErbStG, RE 6 ErbStR 2019, mit der Nacherbschaft gleichgestellt. Somit sind diese Vermächtnisse als Erwerb vom überlebenden Elternteil anzusehen und zu versteuern und die Freibeträge im ersten Erbfall gehen verloren.

 

Rz. 76

Vor diesem Hintergrund hat das sog. Supervermächtnis die Ziele, die unbeschränkte und freie Verfügungsbefugnis für den überlebenden Ehegatten über das gesamte Vermögen zu erhalten und die steuerlichen Nachteile zu vermeiden. Es wird deshalb ein Vermächtnis angeordnet mit dem Zweck, dem überlebenden Ehegatten die Entscheidungen über den Vermächtnisinhalt in Bezug auf den festgelegten Personenkreis, die Art und die exakte Höhe des Vermächtnisses sowie den Zeitpunkt der Erfüllung selbst festzulegen. Es sind dabei die §§ 2151 ff., 2153, 2154, 2181 BGB zu beachten.

 

Rz. 77

Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit nach § 2065 BGB wird für Vermächtnisse in den §§ 2151 ff. BGB aufgelockert. Hier muss nur der Personenkreis bestimmt werden. Auch die Zweckbestimmung nach § 2156 BGB, die Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen des Beschwerten, ist möglich. Aus der Zweckfestsetzung ergibt sich ein hinreichend konkreter Anhaltspunkt für die Ermessensausübung i.S.d. § 2156 BGB zur Größenordnung, in welcher die Leistung an die enterbten Abkömmlinge nach billigem Ermessen des überlebenden Ehegatten erfolgen kann.[201] Das Vermächtnis hat dann den Zweck eine Abfindung orientiert an den Steuerfreibeträgen und Progressionsstufen unter Berücksichtigung früherer Erwerbe des enterbten Kindes vorzunehmen.

 

Rz. 78

Es soll nicht verschwiegen werden, dass es eine erbschaftsteuerrechtliche richterliche Rspr. noch nicht gibt und es diskutiert wird, ob das Supervermächtnis evtl. als ein Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO als Umgehung von § 6 Abs. 4 ErbStG angesehen werden kann. Hier ist jedoch zu beachten, dass dies, soweit die Erfüllung dem freien Belieben des Beschwerten überlassen wird, möglich wäre. Wird jedoch explizit angeordnet, dass der Überlebende das Vermächtnis innerhalb einer bestimmten, relativ kurzen Frist nach dem ersten Erbfall ausüben muss, etwa innerhalb von zwei Jahren, handelt es sich eindeutig nicht um eine Umgehung der Fälligkeit beim Tod des Beschwerten.[202] Die Frist muss auch so gewählt werden, dass der Beschwerte den Zeitpunkt unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls mit Lebensalter, Krankheiten etc. voraussichtlich erleben wird.[203]

 

Rz. 79

Muster 6.19: Supervermächtnis

 

Muster 6.19: Supervermächtnis

Der Erstversterbende beschwert seinen Erben mit folgendem Zweckvermächtnis gem. §§ 2151 ff., 2156 BGB zugunsten der gemeinsamen Kinder _________________________ und deren Abkömmlingen _________________________.

Zweck des Vermächtnisses (§ 2156 BGB) ist es,

allen oder einzelnen Vermächtnisnehmern eine Abfindung dafür zu gewähren, dass sie beim ersten Erbfall lediglich Ersatzerben sind,
eine möglichst gerechte und wirtschaftlich sinnvolle Vermögensverteilung zu erreichen und
dem Längerlebenden und den Bedachten das Ausnutzen der erbschaftsteuerlichen Freibeträge zu ermöglichen.

Dem Beschwerten steht das Bestimmungsrecht zu. Er ist berechtigt, die von ihm geschuldete Leistung nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 2156) sowie festzulegen,

wer aus dem vorstehend festgelegten Kreis der Vermächtnisnehmer etwas erhält (§ 2151 BGB),
ob er etwas erhält und was und wann der jeweils Bedachte etwas erhält (§§ 2151, 2156 BGB).

Der Beschwerte kann bei der Übertragung von Gegenständen auch Ausgleichszahlungen festlegen. Insoweit wird der jeweilige Empfänger mit einem bedingten Untervermächtnis zugunsten des durch die Ausgleichzahlung Begünstigten beschwert. Auch diesbezüglich steht dem Längerlebenden ein Bestimmungsrecht zu. Begünstigter kann nur der Längerlebende von uns oder ein anderer Vermächtnisnehmer sein.

Das Vermächtnis fällt mit dem Tod des Erstversterbenden an. Der Zeitpunkt der Erfüllung ist jedoch gem. § 2181 BGB in das freie Belieben des Beschwerten gestellt; er kann das Vermächtnis auch durch mehrere zeitlich auseinanderfallende Einzelleistung...

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