Marnie Plehn, Peter Hützen
Rz. 121
Von dem Begriff "Entlassung" nach §§ 17, 18 KSchG erfasst werden sowohl Beendigungs- als auch Änderungskündigungen. Aufgrund der bei Ausspruch einer Änderungskündigung zumindest latent – bei Nichtannahme der geänderten Arbeitsbedingungen durch den Arbeitnehmer – möglichen Beendigung ist auch die Änderungskündigung als beabsichtigte Entlassung zu verstehen (BAG v. 20.2.2014, ZInsO 2014, 2057; Niklas/Koehler, NZA 2010, 913). Auch eine wiederholte Kündigung ("Nachkündigung") gilt als Entlassung. Es muss daher vor jeder Kündigungserklärung, die Teil einer Massenentlassung ist, für alle von dieser Entlassung erfassten Arbeitnehmer stets eine Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit erfolgen (BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 601/14, NZA 2016, 490). Nicht zu berücksichtigen sind nach § 17 Abs. 4 S. 2 KSchG fristlose Kündigungen. Kündigungen, die etwa wegen einer tarifvertraglichen Unkündbarkeit nur außerordentlich mit sozialer Auslauffrist erklärt werden können, sind dagegen bei der Berechnung der beabsichtigten Entlassungen zu berücksichtigen (Kiel, NZA 2005, Beil. 1 S. 18 ff.). Als Entlassung zu berücksichtigen sind nach § 17 Abs. 1 S. 2 KSchG außerdem andere, durch den Arbeitgeber veranlasste Beendigungen des Arbeitsverhältnisses. Gemeint sind Aufhebungsvereinbarungen, die unter dem Eindruck einer beabsichtigten Kündigung abgeschlossen werden (BAG v. 11.3.1999 – 2 AZR 461/98, NZA 1999, 761 = ZIP 1999, 1568; Niklas/Koehler, NZA 2010, 913). Fehlt die Anzeige bei Abschluss des Aufhebungsvertrages ist dieser unwirksam. Umstritten ist, ob Eigenkündigungen mitzuzählen sind. Gegen eine Berücksichtigung von Eigenkündigungen wird eingewendet, dass § 17 Abs. 1 KSchG nach richtlinienkonformer Auslegung auf die Willenserklärung des Arbeitgebers abstellt (Dzida/Hohenstatt, DB 2006, 1897). Nach der unter Hinweis auf die Rspr. des BAG zur Berücksichtigung von Aufhebungsverträgen (BAG v. 11.3.1999 – 2 AZR 461/98, NZA 1999, 761 = ZIP 1999, 1568) vertretenen Gegenauffassung sind auch betriebsbedingte Eigenkündigungen bei der Bestimmung der Anzahl der Entlassungen mitzuzählen (Niklas/Koehler, NZA 2010, 913, 914). Kann bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung nicht auf den Kündigungsschutz nach § 17 KSchG verzichtet werden (BAG v. 11.3.1999 – 2 AZR 461/98, NZA 1999, 761 = ZIP 1999, 1568), muss dies auch für eine betriebsbedingte Eigenkündigung gelten. In beiden Sachverhaltskonstellationen geht das Motiv für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf eine Maßnahme des Arbeitgebers zurück. Und in beiden Fällen würde bei einer Nichtberücksichtigung der aus arbeitsmarktpolitischen Gründen verankerte Massenentlassungsschutz unterlaufen. Auch der insb. im Insolvenzfall relevante Wechsel in eine Beschäftigungsgesellschaft, etwa durch dreiseitigen Vertrag, stellt eine anzeigepflichtige Entlassung dar (Niklas/Koehler, NZA 2010, 913, 914; KR/Weigand, § 17 KSchG Rn 38).
Rz. 122
Nicht zu berücksichtigen sind dagegen die Beendigungen von Arbeitsverhältnissen aufgrund von Befristungsablauf oder Eintritt einer vereinbarten auflösenden Bedingung (vgl. EuGH v. 13.5.2015 – C-392/13, NZA 2015, 669). Außerdem bleibt die Beendigung von Arbeitsverhältnissen unberücksichtigt, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitsmarkt nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Inanspruchnahme von Rentenleistungen nicht mehr zur Verfügung steht. Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 S. 2 KSchG, wonach jede Beendigung eine Entlassung darstellt, steht dem nicht entgegen (a.A. Niklas/Koehler, NZA 2010, 913, 914). Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gibt es bei Eintritt in den Ruhestand nicht. Der Schutzzweck der Norm wird daher bei Vereinbarungen über den (Vor-) Ruhestand nicht tangiert.