Marnie Plehn, Peter Hützen
Rz. 6
Der Vorlage einer (Original-) Vollmacht bedarf es jedoch, wenn der Insolvenzverwalter die Kündigung nicht selbst ausspricht, sondern sich hierbei durch einen Dritten vertreten lässt. Eine Vertretung beim Ausspruch von Kündigungen in der Insolvenz ist durchweg zulässig. Es handelt sich nicht um eine insolvenztypische Rechtshandlung, für die eine Stellvertretung grds. ausgeschlossen ist (BAG v. 21.7.1988 – 2 AZR 75/88, NZA 1989, 264 = DB 1989, 485; LAG Kiel v. 14.1.1988, ZIP 1988, 250). Die Vorschriften über Bevollmächtigung und Vertretung (§§ 164 ff. BGB) finden daher uneingeschränkt Anwendung.
Rz. 7
Der Insolvenzverwalter muss somit nicht alle Rechtshandlungen, einschließlich Kündigungen, die nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO fortgeführten Arbeitsverhältnisse betreffend eigenhändig vornehmen. Gerade bei größeren Firmeninsolvenzen wäre es schon rein praktisch gar nicht durchführbar, dass der Insolvenzverwalter alle Aufgaben in Person wahrnimmt. Führt der Insolvenzverwalter den Betrieb fort und bedient sich dabei in gleicher Weise wie zuvor der Insolvenzschuldner eines Personalleiters, so gelten für das Inkenntnissetzen von der Bevollmächtigung i.S.d. § 174 S. 2 BGB ggü. den Betriebsangehörigen keine Besonderheiten. Nach der Rechtsprechung des BAG liegt ein Inkenntnissetzen i.S.d. § 174 S. 2 BGB vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter – z.B. durch die Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter der Personalabteilung – in eine Stelle berufen hat, die üblicherweise mit dem Kündigungsrecht verbunden ist (grundlegend BAG v. 30.5.1972, BAGE 24, 273 = NJW 1972, 1877). Im Fall der Handelsregistereintragung, z.B. bei der (erneuten) Bestellung zum Prokuristen, ist eine separate Bekanntmachung ebenfalls nicht notwendig, wenn die Eintragung vom Registergericht bekannt gemacht worden ist (BAG v. 11.7.1991 – 2 AZR 107/91, NZA 1992, 449). Anders ist es, wenn die Funktionsübertragung aufgrund der Stellung des Bevollmächtigten im Betrieb nicht ersichtlich ist und auch keine sonstige Bekanntmachung erfolgt. Dann reicht die bloße Übertragung einer solchen Funktion nicht aus. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Erklärungsempfänger davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Erklärende die Stellung tatsächlich innehat (BAG v. 20.9.2006, BAGE 119, 311 = NZA 2007, 377). Erforderlich ist zudem ein zusätzliches Handeln des Vollmachtgebers, aufgrund dessen es vor Zugang der Kündigungserklärung dem Arbeitnehmer möglich ist, der ihm genannten Funktion, mit der das Kündigungsrecht verbunden ist, die Person des jeweiligen Stelleninhabers zuzuordnen (BAG v. 14.4.2011 – 6 AZR 727/09, NZA 2011, 683). Beschäftigt der Insolvenzverwalter einen Funktionsbevollmächtigten wie den Personal- oder Betriebsleiter in seiner Stellung weiter, so ist es zur Vermeidung unnötiger Streitigkeiten über den Ausschluss des Zurückweisungsrechts nach § 174 S. 2 BGB ratsam, bei Übernahme der Arbeitgeberfunktion durch den Insolvenzverwalter die Belegschaft etwa per E-Mail, in einer Betriebsversammlung oder in einer anderen nachweisbaren Form darauf hinzuweisen, dass die Vollmachten der Funktionsbevollmächtigten weiter gelten bzw. (neu) erteilt werden (Berscheid, S. 170 Rn 538; Uhlenbruck/Sinz, § 117 InsO Rn 15). Dies gilt umso mehr, weil die vom Schuldner erteilten Vollmachten, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beziehen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen, § 117 Abs. 1 InsO. Dazu zählen insb. die handelsrechtlichen Vollmachten (Prokura, Handlungs- und Abschlussvollmacht) (RegE, BT-Drucks 12/2443, 152), die der Insolvenzverwalter allerdings ohne Weiteres mit der bekannten Wirkung erneut erteilen kann (Uhlenbruck/Zobel, § 117 InsO Rn 14).
Rz. 8
Lässt sich der Insolvenzverwalter durch einen Anwalt aus seiner Kanzlei vertreten, dann ist die Kündigung durch diesen zulässig, wenn dem Rechtsanwalt eine Vollmacht erteilt und diese dem Kündigungsschreiben im Original beigefügt worden ist (BAG v. 10.8.1977, AP Nr. 2 zu § 81 ZPO m. Anm. Rimmelspacher; BAG v. 31.8.1979, AP Nr. 3 zu § 174 BGB m. Anm. Grunsky). Eine als bekannt vorauszusetzende Bevollmächtigung i.S.d. § 174 S. 2 BGB liegt nicht vor, wenn der Insolvenzverwalter einem soziierten Rechtsanwalt im Einzelfall die Befugnis zum Ausspruch der Kündigung erteilt. Mangels besonderer Kündigungsvollmacht kann die Kündigung nach § 174 S. 1 BGB zurückgewiesen werden (LAG Köln v. 31.8.2000, ZInsO 2001, 431 = ZIP 2001, 433). Vollmachtsurkunden müssen im Original vorgelegt werden; die Vorlage einer beglaubigten Abschrift ist nicht ausreichend (BGH v. 4.2.1981 – VIII ZR 313/79, NJW 1981, 1210). Ist die Vollmacht "wegen" Kündigung erteilt, so reicht eine solche Kündigungsvollmacht zur Abgabe der entsprechenden Erklärung durch einen Rechtsanwalt aus (s. zur Abmahnungsvollmacht für einen Anwalt LAG Hamm v. 22.8.1990 – 4/18/12 Sa 589/90, n.v.). Ebenso wie der Prozessbevollmächtigte des Arbeitnehmers zur Entgegennahme weiterer Kündigungen ermächtigt ist, wenn ihm eine "Einh...