Gertrud Romeis, Jürgen Beck
Rz. 35
Die Besteuerung eines ins Ausland entsandten Arbeitnehmers hängt davon ab, wo der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (im Inland, im Ausland, im In- und Ausland) und ob mit dem Staat, in den der Arbeitnehmer entsandt worden ist, ein DBA besteht. Die Regelungen des OECD-MA sind unter Berücksichtigung der im BMF-Schreiben v. 3.5.2018, BStBl I 2018, 643 aufgestellten Grundsätze bei der Auslegung zu berücksichtigen.
Rz. 36
Behält der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so ist er hier unbeschränkt steuerpflichtig (sog. Ansässigkeitsprinzip) und wird nach nationalem deutschem Steuerrecht in Deutschland mit seinem Welteinkommen besteuert (vgl. dazu Rdn 40 ff.). Gleichzeitig unterliegt der Arbeitnehmer in dem Tätigkeitsstaat der beschränkten Steuerpflicht mit seinen Einkünften aus der in diesem Staat ausgeübten nicht selbstständigen Tätigkeit (sog. Quellenstaatsprinzip). Aus dem gleichzeitigen Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates und des Tätigkeitsstaates ergibt sich eine Doppelbesteuerung der Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit.
Rz. 37
Besteht mit dem Tätigkeitsstaat ein DBA, wird die Doppelbesteuerung dadurch beseitigt, dass nach bestimmten Kriterien einem der beiden Staaten das ausschließliche Besteuerungsrecht zugewiesen wird. In Bezug auf Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit ist dies i.d.R. der Tätigkeitsstaat (vgl. dazu Rdn 47 ff.).
Rz. 38
Existiert kein DBA mit dem Tätigkeitsstaat, so wird die Doppelbesteuerung unter bestimmten Voraussetzungen nach nationalem deutschem Recht ganz oder teilweise beseitigt (vgl. Rdn 69 ff.), nämlich entweder unter den Voraussetzungen des sog. Auslandstätigkeitserlasses (ATE) durch eine Freistellung der Einkünfte im Inland oder – soweit die Voraussetzungen des ATE nicht vorliegen – durch Anrechnung oder Abzug der im Tätigkeitsstaat gezahlten ausländischen Steuer gem. § 34c EStG.
Rz. 39
Gibt der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland während der Auslandstätigkeit auf, so ist er im Inland mit seinen Einkünften aus nicht selbstständiger Tätigkeit nicht steuerpflichtig. Seine sonstigen Einkünfte unterliegen in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht (vgl. dazu Rdn 77 ff.).
I. Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht
1. Wohnsitz
Rz. 40
Nach § 8 AO hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (allgemein dazu BMF-Schreiben v. 18.1.1990, BStBl I 1990, 50). Das Steuerrecht knüpft entgegen §§ 7, 8 BGB nicht an den rechtsgeschäftlichen Willen des Steuerpflichtigen an, sondern an die tatsächliche Gestaltung (BFH v. 4.6.1964, BStBl III 1964, 535; BFH v. 23.11.1988, BStBl II 1989, 182 Abweichung des steuerlichen Wohnsitzbegriffes von dem des Polizeirechtes: Zur polizeilichen An- und Abmeldung s. BFH v. 30.10.2002 – VIII R 86/00).
Rz. 41
Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben, was bedeutet, dass er rechtlich und tatsächlich über die Wohnung als solche für seine Wohnzwecke verfügen kann (BFH v. 23.11.1988, BStBl II 1989, 182). Bei einem ins Ausland versetzten Arbeitnehmer begründet die Beibehaltung einer eingerichteten Wohnung im Inland eine Vermutung für das Fortbestehen eines inländischen Wohnsitzes.
Rz. 42
Grds. reicht die Nutzung einer Wohnung durch Familienangehörige aus, um auch für den Steuerpflichtigen einen Wohnsitz zu begründen. Bei vorübergehender beruflicher Auslandstätigkeit des Steuerpflichtigen ist deshalb grds. der Wohnsitz des Ehepartners bzw. der Familie auch der des Steuerpflichtigen (OFD Frankfurt v. 15.11.1965, DB 1965, 1886; RFH v. 10.3.1937, RStBl. 1937, 498; BFH v. 6.2.1985, BStBl II 1985, 331). Dies soll bei längeren Auslandstätigkeiten dann nicht mehr der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige den Umständen nach nicht mehr ins Inland zurückkommen wird (vgl. BFH v. 26.7.1972, BStBl II 1972, 949) und den Familienwohnsitz nicht mehr als Lebensmittelpunkt ansieht (RFH v. 10.3.1937, RStBl. 1937, 498;).
Rz. 43
Für die Annahme der Wohnsitzaufgabe ist erforderlich, dass die Wohnung aufgelöst oder tatsächlich nicht mehr genutzt wird, und zwar weder durch den Steuerpflichtigen selbst noch durch seine Angehörigen. Entscheidend bei der Beurteilung sind die Umstände des konkreten Einzelfalles. Bei ledigen Arbeitnehmern ist bei einer längerfristigen Auslandstätigkeit grds. eher von einer Aufgabe des Wohnsitzes auszugehen als bei Verheirateten (BFH v. 17.3.1961, BStBl III 1961, 298; vgl. auch Gross, IWB, F. 3 Gr. 6, S. 347, 350). Der Wegzug ins Ausland kann die Aufgabe des Wohnsitzes bedeuten, wenn der Steuerpflichtige seine Wohnung für mehrere Jahre an einen Dritten vermietet und die Möbel einlagern lässt (FG Hamburg v. 28.10.1983, EFG 1984, 294). Hingegen keine Aufgabe des Wohnsitzes, wenn die Wohnung bei einem von vornherein zeitlich begrenzten Auslandsaufenthalt lediglich zum Zweck der Bewachung vermietet wird (FG Schleswig-Holstein v. 12.5.1981, EFG 1982, 5). Bei einer zeitlich b...