Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 94
Gemäß §§ 1, 159 InsO gehört die Verwertung der Insolvenzmasse zu den vordringlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters. Unter Verwertung ist die Umsetzung sämtlicher Vermögensgegenstände in Geld zu verstehen. Bei Forderungen genügt hierzu der Einzug, vgl. § 166 Abs. 2 InsO.
Rz. 95
Während Nachlasspfleger aufgrund ihrer bloßen Sicherungsfunktion nur in Ausnahmefällen zur Verwertung befugt sind und in Nachlassverwaltungen eine Liquidation nur insoweit zu erfolgen hat, wie dies erforderlich ist, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu befriedigen, ist der Nachlass im Nachlassinsolvenzverfahren grundsätzlich vollumfänglich zu "versilbern".
Rz. 96
Gemäß § 159 InsO soll der Insolvenzverwalter mit der Verwertung grundsätzlich erst nach dem Berichtstermin beginnen, diese dann aber zügig durchführen. In der Theorie benötigt der Verwalter die Zeit bis zum Berichtstermin dazu, alle Massegegenstände in Besitz zu nehmen, zu inventarisieren und zu bewerten. In der Praxis erfolgt all dies typischerweise schon im Insolvenzantragsverfahren durch den Sachverständigen oder vorläufigen Verwalter. Gerade in Nachlassinsolvenzen spricht nichts dagegen, bereits unmittelbar nach Verfahrenseröffnung mit der Verwertung einzelner Gegenstände, insbesondere der Einziehung offener Forderungen, zu beginnen und im Übrigen bereits Makler oder spezialisierte Verwertungsdienstleister mit der Vermarktung oder Vorbereitung einer Versteigerung zu beauftragen. Idealerweise kann dann in der ersten Gläubigerversammlung schon gleich über konkret geplante Transaktionen und Vertragsentwürfe beschlossen werden, vgl. §§ 160 ff. InsO, und können diese unmittelbar danach zum Abschluss gebracht werden.
Hinweis
Die Vornahme von Rechtsgeschäften im Rahmen von Betriebsfortführungen, die zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gehören, wie z.B. der Verkauf von Handelsware in der Insolvenz eines Handelsunternehmens, sind begrifflich keine Verwertungsmaßnahmen. Gemäß §§ 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 158 Abs. 1 InsO ist es die Pflicht des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, ein zur Masse gehörendes Unternehmen bis zum Berichtstermin fortzuführen, was die Durchführung solcher Geschäfte einschließt. Bei einem Räumungsverkauf nach einem Stilllegungsbeschluss handelt es sich aber begrifflich um Verwertung, die gem. § 159 InsO grundsätzlich erst nach dem Berichtstermin beginnen darf.
Rz. 97
In welcher Art und Weise Gegenstände verwertet werden, entscheidet der Insolvenzverwalter grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen. Möglich und üblich sind sowohl Verkäufe aus freier Hand als auch (private oder öffentliche) Versteigerungen. Hierbei hat der Insolvenzverwalter mit Blick auf § 1 InsO stets die Verwertungsform zu wählen, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Erfolg für die (freie) Insolvenzmasse verspricht.
Rz. 98
Der Insolvenzverwalter kann bestimmte Teile der Insolvenzmasse auch zusammenhängend als Sachgesamtheiten verkaufen, wenn dies bessere Verwertungsergebnisse verspricht. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn Interesse am Erwerb eines massezugehörigen lebenden Unternehmens im Ganzen oder einzelner betrieblich-organisatorisch zusammenhängender Einheiten (Warenlager, einzelne Filialen oder Betriebsstätten) besteht.
Rz. 99
Soweit zur Insolvenzmasse Gegenstände gehören, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder aufgrund bestehender dinglicher Belastungen nicht lohnend verwertbar sind, kann der Insolvenzverwalter diese durch Freigabe aus der Insolvenzmasse herauslösen. Freigabe von Vermögen aus der Masse hat immer dann zu erfolgen, wenn das Halten von Gegenständen Kosten verursacht und eine gedachte künftige Verwertung voraussichtlich nicht zu einem diese Kosten überschießenden Erlösanteil für die freie Masse führen wird (zur Freigabe siehe auch Rdn 190 ff.).
Rz. 100
Gelegentlich lassen sich Gegenstände nicht ohne weiteres sofort veräußern, sondern erst nach weiterer Verarbeitung, Veredelung oder Reparatur. Hin und wieder empfiehlt es sich auch, vor einer Veräußerung zunächst auf Massekosten wertsteigernde Investitionen (z.B. Räumung und Renovierung einer Immobilie vor Verkauf) zu tätigen. All dies ist selbstverständlich zulässig und mit § 159 InsO ohne weiteres vereinbar, auch wenn sich die Verwertung dadurch nicht unerheblich verzögern sollte.
Rz. 101
Ausnahmsweise können Gegenstände auch schon während des Insolvenzantragsverfahrens durch einen vorläufigen Verwalter veräußert werden. Dies gilt insbesondere bei Vorhandensein verderblicher Ware oder Saisonartikeln, bei denen mit einem Zuwarten erhebliche Wertverluste einhergingen, vgl. § 158 Abs. 1 InsO.