Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 78
Wenn für einen Prozess ein auswärtiges Gericht örtlich zuständig ist, dann hat der Kläger drei Alternativen, sich anwaltlich vertreten zu lassen:
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Der Kläger beauftragt direkt einen RA am Sitz des auswärtigen Gerichts, oder |
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er lässt sich von einem an seinem Wohnort ansässigen RA ("Verkehrsanwalt") erst einmal beraten und diesen dann auch den Schriftverkehr mit dem auswärtigen Prozessbevollmächtigten führen. Die zweite Möglichkeit erspart der Partei Mühe und Kosten, verursacht aber zusätzliche Anwaltsgebühren. |
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Da vor den Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten jeder bei einer Rechtsanwaltskammer zugelassene RA auftreten kann (§ 78 Abs. 1 ZPO), hat die Partei vor diesen Gerichten eine dritte Möglichkeit: Sie lässt sich von dem an ihrem Wohnort ansässigen RA vor dem auswärtigen Gericht vertreten. Da dies jedoch insbesondere bei mehreren Terminen hohe Reisekosten verursacht, wird normalerweise in diesen Fällen zur Wahrnehmung der Termine ein Unterbevollmächtigter als Terminsvertreter beauftragt (siehe Rdn 88 ff.). |
Die dritte Alternative (Terminsvertreter) kommt inzwischen in der Praxis wohl am häufigsten vor. Der Verkehrsanwalt wurde früher häufiger eingesetzt, als die Zulassung der RAe bei den Gerichten noch anders geregelt war.
Rz. 79
Vom Verkehrsanwalt (auch Korrespondenzanwalt genannt) ist also der unterbevollmächtigte Terminsvertreter zu unterscheiden:
Verkehrsanwalt |
Terminsvertreter |
Ist nicht Prozessbevollmächtigter |
Ist nicht Prozessbevollmächtigter |
Prozessbevollmächtigter ist der RA am Ort des auswärtigen Gerichts |
Prozessbevollmächtigter ist der RA am Wohnort der Partei |
Kommt in Verfahren vor, in denen nicht rechtskundige Parteien in Unkenntnis der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit sich zunächst von einem RA an ihrem Wohnort beraten lassen. Rechtskundige Parteien, wie z. B. Kaufleute bekommen meistens die zusätzlichen Kosten eines zweiten RA nicht erstattet. |
Kommt häufiger vor, weil der Prozessbevollmächtigte am Ort des Auftraggebers zwar grundsätzlich vor jedem AG, LG oder OLG auftreten könnte, aber die Reisespesen zum auswärtigen Gericht im Vergleich zum Honorar des unterbevollmächtigten Terminsvertreters hoch wären. Hierdurch werden Probleme bei der Kostenfestsetzung vermieden. |
Rz. 80
Die Tätigkeit des am Wohnort der Partei ansässigen Verkehrsanwalts liegt lediglich darin, den Verkehr des Auftraggebers mit dem auswärtigen Prozessbevollmächtigten zu vermitteln. Hierzu gehören z. B. die Vermittlung des Schriftwechsels zwischen dem Mandanten und dem Prozessbevollmächtigten, die Anfertigung von Schriftsätzen wie der Entwurf einer Klageschrift, Telefongespräche mit dem Prozessbevollmächtigten, aber auch die Beratung des Mandanten.
Wenn der Auftraggeber nach Abschluss der ersten Instanz Berufung einlegen will, gehört die Übersendung der Handakten an den RA der höheren Instanz noch zur Tätigkeit des RA der ersten Instanz, der hierdurch gemäß § 19 Abs. 1 Ziff. 17 RVG keine besondere Gebühr nach Nr. 3400 VV RVG verdient. Anders wäre es gemäß der Anmerkung zu Nr. 3400 VV RVG, wenn er damit auf Wunsch des Mandanten gutachterliche Äußerungen verbindet.
Rz. 81
Der Verkehrsanwalt erhält nach Nr. 3400 VV RVG für seine Tätigkeit eine Verfahrensgebühr, die auch als "Verkehrsgebühr" bezeichnet wird, in Höhe der dem Prozessbevollmächtigten zustehenden Verfahrensgebühr, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 1,0. Das bedeutet, dass in den meisten Fällen die Verkehrsgebühr mit 1,0 berechnet wird, gerade auch wenn der Verkehrsanwalt in den Rechtsmittelinstanzen tätig ist. Im Zwangsvollstreckungsverfahren beträgt die Verkehrsgebühr allerdings nur 0,3.
Ermäßigt sich die Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtigten z. B. gemäß Nr. 3101 VV RVG auf 0,8, so beträgt die Verkehrsgebühr ebenfalls nur 0,8, andererseits kann sie auch in dem Umfang höher sein, in dem Prozessbevollmächtigten eine weitere Verfahrensgebühr (Differenzverfahrensgebühr) bei Abschluss eines Prozessvergleichs über rechtshängige und nicht rechtshängige Ansprüche zusteht (vgl. Rdn 28 ff. und § 2 Rdn 175 ff.).
Rz. 82
Ist dem Korrespondenzanwalt bereits die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) oder die Gebühr für den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids oder die Gebühr für den Widerspruch (Nrn. 3305, 3307 VV RVG) oder die Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Tätigkeit (Nr. 2300 VV RVG) erwachsen, so müssen die vorgenannten Gebühren auf die Verkehrsgebühr (Nr. 3400 VV RVG) angerechnet werden.
Rz. 83
Auch für die Verkehrsgebühr gilt § 7 RVG i. V. m. Nr. 1008 VV RVG, sodass sie sich bei mehreren Auftraggebern für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3 erhöht.
Rz. 84
Der Gegenstandswert der Verkehrsgebühr richtet sich nach dem Gegenstandswert der Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtigten.
Beispiel:
Der Winzer Fischer in Bad Kreuznach sucht RA Anders auf und beauftragt ihn, den Kaufpreis für die Lieferung von 2.000 Flaschen Wein in Höhe von 19.000,00 EUR gegen den Käufer Suffig einzuklagen. Anders stellt fest, dass für den in Langenh...