Klaus von Brocke, Dr. Stefan Müller
Rz. 188
Da die Besteuerung der Gesellschaft selbst, aber auch ihrer Gesellschafter davon abhängig ist, ob die Gesellschaft nach deutschem Steuerrecht eine Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft) oder eine Kapitalgesellschaft darstellt, ist diese Qualifikation von erheblicher Bedeutung. Sie entscheidet sowohl über das anwendbare nationale Steuerrecht als auch über das Besteuerungsrecht nach den einschlägigen DBA. Soweit es sich um die Abkommensberechtigung einer Gesellschaft handelt, also die Berechtigung, sich auf ein DBA berufen zu können, ist zudem umstritten, nach welchem nationalen Recht sich diese entscheidet. Bei der entsprechenden Klassifizierung von Gesellschaften ausländischen Rechts als Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft i.S.d. deutschen Steuerrechts kann man sich nicht auf die Qualifikation nach dem nationalen Recht des Gründungsstaates verlassen, so dass eine nach ausländischem Recht als Kapitalgesellschaft qualifizierte Gesellschaft durchaus für die Beurteilung nach deutschem Steuerrecht als Personengesellschaft anzusehen sein kann – und umgekehrt. Die Qualifikation erfolgt vielmehr im Wege eines Rechtstypenvergleichs, indem die ausländische Gesellschaft an den für eine deutsche Kapital- bzw. Personengesellschaft charakteristischen Merkmalen gemessen wird. Die Finanzverwaltung wendet diesbezüglich die folgenden, in einem BMF-Schreiben betreffend die Limited Liability Company (LLC) niedergelegten Kriterien an, die für eine Körperschaft sprechen sollen:
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zentralisierte Geschäftsführung |
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beschränkte Haftung |
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freie Übertragbarkeit der Anteile |
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Gewinnverteilung aufgrund von Gesellschafterbeschlüssen |
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Kapitalaufbringung durch Einlagen der Gesellschafter |
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(Bemessung der Gewinnverteilung nach dem Verhältnis der Beteiligung an der Gesellschaft) |
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(Erfüllung der Handelsregistereintragung entsprechend den formalen Voraussetzungen). |
Rz. 189
Eine ausländische Gesellschaft ist danach als Körperschaft zu qualifizieren, wenn sich bei einer Gesamtbetrachtung der maßgeblichen ausländischen Regelungen und der Vereinbarungen über Organisation und Struktur der Gesellschaft ergibt, dass sie rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Körperschaft gleicht. Relevant sind insoweit die in der vorstehenden Liste aufgeführten wesentlichen Strukturmerkmale. Die beiden dort zuletzt genannten Kriterien sind allerdings lediglich hilfsweise heranzuziehende Merkmale. Vielmehr reicht es nach dem BMF-Schreiben, wenn drei der fünf zuerst genannten Voraussetzungen erfüllt sind, um eine nicht eindeutig als Kapital- oder Personengesellschaft einzuordnende Gesellschaft als Körperschaft zu qualifizieren. Nicht von Relevanz ist insoweit die Frage der Rechtsfähigkeit der ausländischen Gesellschaft.
Rz. 190
Diese steuerrechtliche Einordnung der ausländischen Gesellschaft unabhängig von der Qualifikation nach nationalem Recht – insbesondere Steuerrecht – des Gründungsstaates kann positive (völlig steuerfreie Einnahmen, sog. weiße Einkünfte; doppelte Berücksichtigung von Aufwendungen, sog. Double Dip) und negative (Doppelbesteuerung; völlige Nichtberücksichtigung von Aufwendungen) Folgen haben, wenn die Qualifikation im Gründungsstaat anders ausfällt als die nach deutschem Steuerrecht. Insoweit sind jedoch etwaige Subject-to-tax- oder Switch-over-Regelungen z.B. nach einem DBA, § 20 Abs. 2 AStG, § 50d Abs. 9 EStG oder § 50d Abs. 10 EStG zu beachten.