Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 23
Eine ursprünglich erfolgversprechende Klage kann vor oder nach Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet werden. Ein häufiges Beispiel ist die Erfüllung nach § 362 BGB. Grund und Anlass des Rechtsstreits sind dann weggefallen. Es ist bei der Erledigung wie folgt zu unterscheiden:
I. Erfüllung vor Anhängigkeit
Rz. 24
Hat der Kläger bereits Anwaltsgebühren durch einen Auftrag zur Klageerhebung verursacht, ohne dass die Klage bisher eingereicht worden ist, kann er diese Kosten als Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB gesondert geltend machen und ggf. einklagen.
Rz. 25
Wird eine Klage eingereicht und stellt sich heraus, dass kurz vor deren Eingang bei Gericht noch die Bezahlung der Forderung erfolgt ist, dürfte es regelmäßig empfehlenswert sein, die Zahlungsklage auf eine Feststellungsklage dahingehend umzustellen, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits als Schadensersatz zu tragen hat. Dazu folgendes
Formulierungsbeispiel
„In pp. hat der Beklagte am [...], mithin zwei Tage vor Klageeingang bei Gericht, die Klageforderung beglichen. Ich ändere daher die Klage und werde nunmehr beantragen,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Begründung:
Der Kläger hatte, wie in der Klageschrift dargestellt, gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch aus [...]. Der Beklagte war im Verzug, als der Kläger die Klage gefertigt und bei Gericht eingereicht hat. Die Zahlung hat sich mit der Anhängigkeit überkreuzt und war bei der Einreichung der Klage, die der Beklagte veranlasst hat, nicht bekannt. Die Kosten des Verfahrens verlangt der Kläger nunmehr von dem Beklagten als Schadensersatz aus Verzug. Die Umstellung der Klage ist gemäß § 263 ZPO sachdienlich.“
II. Erfüllung vor Rechtshängigkeit
Rz. 26
Fällt der Klageanlass zwischen Anhängigkeit (d.h. Eingang der Klage oder des Mahnantrags bei Gericht) und Rechtshängigkeit (d.h. Zustellung der Klage bzw. des Mahnantrags an den Beklagten gemäß §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1, 696 Abs. 3 ZPO) weg, gibt es nach herrschender Meinung noch kein erledigendes Ereignis im Sinne des Gesetzes. Der Kläger kann die Klage daraufhin nur nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO zurücknehmen und eine Kostenentscheidung nach richterlichem Ermessen beantragen. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entscheidet das Gericht in einem an § 91a ZPO angelehnten Verfahren nach billigem Ermessen über die Kosten durch Beschluss.
Formulierungsbeispiel
„In pp. nimmt der Kläger die Klage nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO zurück und beantragt,
dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
Begründung:
Der Beklagte hat heute auf die bislang noch nicht zugestellte Klage die Hauptforderung nebst Zinsen gezahlt. Wie sich aus der Klageschrift ergibt, befindet sich der Beklagte seit dem [...] mit der Zahlung in Verzug, sodass es angemessen ist, ihm die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Ohne Zahlung wäre er dazu zu verurteilen gewesen. […].“
Rz. 27
Zahlt der Beklagte vor Rechtshängigkeit der Klage, könnte sich der Kläger mit ihm auch noch über die Kostentragung einigen. Bei Versicherungen besteht zumeist eine Bereitschaft zur Kostenübernahme, wenn diese nach Anhängigkeit Schäden reguliert. Denn das Vorgehen nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ist regelmäßig unzweckmäßig. Weil die Parteien bei einer streitigen Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO die Kostenvergünstigung nach KV 1211 Nr. 1 verlieren, d.h. 3,0 statt 1,0 Gerichtskosten und in einem landgerichtlichen Verfahren zusätzlich Anwaltsgebühren beim Beklagten entstehen, empfiehlt es sich, von einem solchen Antrag abzusehen und eine Einigung mit dem Gegner zu suchen (dann Einigungsgebühr gemäß VV RVG Nr. 1000, aber reduziert auf den Gebührenstreitwert). Eine solche Einigung kann in einer Klagerücknahme ohne Kostenantrag des Gegners bestehen, wenn sich dieser außergerichtlich zur Übernahme der Kosten und Erstattung der Gerichtsgebühr verpflichtet.
III. Erledigung nach Rechtshängigkeit
Rz. 28
Wurde die Klage dem Beklagten bereits zugestellt und erfüllt er danach die klägerische Forderung, gilt Folgendes. Üblicherweise erklärt der Kläger den Rechtsstreit (klageändernd) für erledigt, z.B.:
Formulierungsbeispiel
„In pp. hat der Beklagte am [...], mithin eine Woche nach Zustellung der Klage, die Forderung nunmehr beglichen. Ich erkläre daher den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Ich beantrage,
dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a Abs. 1 ZPO aufzuerlegen. Denn […].“
Rz. 29
Diese Erledigungserklärung ist so lange frei widerruflich, bis sich der Beklagte angeschlossen und das Gericht noch nicht entschieden hat. Kostenanträge der Parteien sind bei diesem Verfahren weitgehend üblich, aufgrund der Kostenentscheidung von Amts wegen jedoch entbehrlich.
Rz. 30
Eine Erledigungserklärung stellt das Gericht dem Beklagten mit einer Notfrist von zwei Wochen zu, dieser zuzustimmen oder zu widersprechen mit der Belehrung, dass der Rechtsstreit auch dann als für übereinstimmend für e...