Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 102
Ein Sachverständiger (nicht aber ein Institut) kann aus denselben Gründen abgelehnt werden wie ein Richter, § 406 S. 1 i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO. Dies gilt auch im selbstständigen Beweisverfahren. Eine offensichtliche Pflichtverletzung des Sachverständigen ist nicht erforderlich.
Rz. 103
Ablehnungsgründe sind u.a.:
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die Parteilichkeit des Gutachters wegen enger verwandtschaftlicher Beziehungen zu einer Partei, |
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eine mögliche Regresspflicht, auch von nahen Angehörigen, |
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u.U. die falsche Wiedergabe der tatsächlichen Grundlagen des Gutachtens oder die völlige Nichtberücksichtigung substantiierten Vortrags einer Partei, |
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die einseitige Informationsbeschaffung bei einer Partei oder eigene Recherchen ohne Offenlegung, |
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das Hinzuziehen keiner oder nur einer Partei bei der Gutachtenvorbereitung (z.B. zum Ortstermin), |
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die Tätigkeit des Sachverständigen für die Haftpflichtversicherung einer Partei (oder eine andere Vorbefassung), |
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das Erstatten eines Privatgutachtens in derselben Sache. |
Rz. 104
Der Ablehnungsantrag ist fristgebunden. Der Sachverständige muss spätestens zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Ernennungsbeschlusses abgelehnt werden, § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO. Handelt es sich um ein Gutachten, bei dem der verantwortliche Verfasser des Gutachtens erst später erkennbar wird, beginnt die Frist erst zu laufen, wenn die Partei bzw. deren Rechtsanwalt weiß, wer der Sachverständige ist. Nach Fristablauf muss also glaubhaft gemacht werden, dass kein Verschulden vorlag, dass der Ablehnungsgrund nicht früher erhoben wurde, § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO. Dies gilt z.B., wenn der Ablehnungsgrund erst aus dem Inhalt des erstellten Gutachtens hergeleitet wird. Der Antrag ist in einem solchen Fall unverzüglich (§ 121 BGB entsprechend) nach Kenntnis von dem Ablehnungsgrund zu stellen.
Rz. 105
Besteht die Befürchtung, dass der im gerichtlichen Verfahren bestellte Gutachter befangen ist, sollte dieser umgehend abgelehnt werden, weil anderenfalls die Ablehnungsfrist verstrichen sein könnte. Keinesfalls sollte eine vom Gericht gewährte (inhaltliche) Stellungnahmefrist abgewartet werden. Vor dem Beginn der Vernehmung des Sachverständigen ist in jedem Fall die Ablehnung nochmals zu erklären.
Rz. 106
Die erforderliche Glaubhaftmachung kann im Übrigen, wie auch bei anderen Befangenheitsanträgen, nicht durch eine eigene eidesstattliche Versicherung erfolgen. Sie muss sich daher aus anderen gegenwärtigen Beweismitteln ergeben.