Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich kann die Durchführung eines Ortstermins in Anwesenheit nur einer der Parteien die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen rechtfertigen. Dies gilt aber nur dann, wenn das Verhalten des Sachverständigen auf die Intention schließen lässt, die andere Partei - etwa durch bewusstes Absehen von einer Terminsmitteilung - zu benachteiligen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 29.04.2011; Aktenzeichen 6 123/08) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Saarbrücken vom 29.4.2011 (Az. 6 123/08) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 11.840 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht mit seiner vor dem LG Saarbrücken erhobenen Klage Ansprüche geltend auf Räumung und Herausgabe von Mieträumen sowie auf Zahlung - u.a. - rückständigen Mietzinses. Das LG hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 8.1.2009 zu der Frage, ob das Dach des Gebäudes in einem Bereich im Obergeschoss undicht sei (Bl. 181/182 d.A.). Der Sachverständige, Dachdeckermeister K. G., wurde gemäß Beschluss vom 18.3.2010 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt (Bl. 369 d.A.).
Ein erstes Gutachten wurde unter dem 25.9.2010 erstellt (Bl. 467 d.A.). Der Sachverständige erläuterte es im Termin vom 15.12.2010 (Bl. 563 d.A.). Die Parteien kamen überein, dass ein zweiter Ortstermin durchgeführt werden solle, entweder an einem Regentag oder unter künstlicher Beregnung des Daches (Bl. 566 d.A.). Hierzu erging unter dem 23.12.2010 ein weiterer Beweisbeschluss (S. 573 d.A.). Die Beklagtenvertreterin teilte dem Sachverständigen unter dem 7.1.2011 mit, dass wegen aktuellen Regenwetters anheim gestellt werde, sich die Örtlichkeit anzusehen (Bl. 565 d.A.). Der Sachverständige lud die Parteivertreter kurzfristig telefonisch zur Ortsbesichtigung; von beiden wurde ihm "abgesagt" (Stellungnahme des Sachverständigen vom 30.3.2011, Bl. 643 d.A.).
Der Sachverständige erstellte ein Ergänzungsgutachten vom 17.2.2011 (Bl. 610 d.A.). Das LG stellte das Gutachten den Parteivertretern zu und gab Gelegenheit, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen. Der Klägervertreter erhielt das Gutachten 25.2.2011 (Bl. 626 d.A.). Mit am 21.3.2011 eingegangenem Schriftsatz vom 18.3.2011 hat der Kläger Stellung genommen (Bl. 635 d.A.). Zugleich hat er den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Sachverständige habe den Ortstermin am 7.1.2011 ohne Mitwirkung des Klägers durchgeführt und damit den Anschein der Parteilichkeit erweckt. Im Rahmen der Erklärungen zum Inhalt des Ergänzungsgutachtens hat er weiter vorgetragen, das Gutachten sei überflüssig und bringe keine neuen Erkenntnisse; es könne "sogar der Verdacht aufkommen, dass es sich um ein Gefälligkeitsgutachten" handele (Bl. 637 d.A.).
Der Sachverständige hat sich mit Schreiben vom 30.3.2011 (Bl. 645 d.A.) zu dem Befangenheitsantrag geäußert.
Das LG hat den Antrag mit Beschluss vom 29.4.2011 als unzulässig zurückgewiesen (Bl. 652 d.A.). Er sei am 21.2.2011 und damit nach Ablauf der vom Gericht gesetzten dreiwöchigen Frist zur Stellungnahme zum Gutachten gem. § 411 Abs. 4 ZPO, endend mit Ablauf des 18.3.2011, gestellt worden und deshalb verfristet.
Der Kläger hat gegen den am 17.5.2011 zugestellten (Bl. 659 d.A.) Beschluss am 27.5.2011 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 661 d.A.). Er behauptet, das Ablehnungsgesuch per Fax vorab schon am 18.3.2011 an das LG gesandt zu haben. Wegen einer technischen Störung habe sein Faxgerät kein Protokoll ausgedruckt. Der Übertragungsvorgang sei aber ordnungsgemäß erfolgt, weil er keinen gegenteiligen Hinweis auf seinem Faxgerät gesehen habe (Bl. 667/668 d.A.). Dessen ungeachtet hält er für relevant, dass der Schriftsatz vom 18.3.2011 auch dann, wenn er an jenem Tag eingegangen wäre, nicht hätte vor dem 21.3.2011 bearbeitet werden können. Bezug nehmend auf die Stellungnahme des Sachverständigen vom 30.3.2011, stellt der Kläger in Abrede, dass sein Prozessbevollmächtigter ein oder zwei Tage nach dem durch den Sachverständigen telefonisch mitgeteilten Ortstermin vom 7.1.2011 nachgefragt habe, ob der Termin stattgefunden habe (Bl. 668 d.A.).
Das LG hat die Sache nach Nichtabhilfe gemäß Beschluss vom 28.7.2011 (Bl. 682 d.A.) dem Saarländischen OLG vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere gem. § 406 Abs. 5 ZPO statthaft und innerhalb der Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet.
Das LG hat den Befangenheitsantrag des Klägers im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
Es ist höchst zweifelhaft, ob der Ablehnungsantrag zulässig gewesen ist.
Gemäß § 406 Abs. 2 ZPO ist der Ablehnungsantrag spätestens binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht...