Rz. 115
Das Stimmrecht gehört zum "Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte" und kann deshalb nur ausnahmsweise und lediglich unter eng begrenzten Voraussetzungen eingeschränkt werden Ein genereller Ausschluss bestimmter Miteigentümer (z.B. "Stellplatzeigentümer sind nicht stimmberechtigt") ist ebensowenig möglich wie ein vorübergehender Stimmrechtsausschluss (Ruhen des Stimmrechts) z.B. bei Zahlungsrückstand. Es gibt (leider) auch keinen allgemeinen Stimmrechtsausschluss wegen Interessenkollision. Nur in den folgenden Fällen ist ein Wohnungseigentümer vom Stimmrecht ausgeschlossen (Stimmverbot, Stimmrechtsausschluss):
Rz. 116
Die Beschlussfassung betrifft die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm (§ 25 Abs. 4 WEG) oder mit einer Gesellschaft, an der er maßgeblich beteiligt ist.
Beispiele
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Miteigentümer A soll als Hausmeister angestellt werden; er darf dabei nicht mitstimmen. |
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Miteigentümer A ist Verwalter (oder Beirat); beim Beschluss über seine Entlastung darf er nicht mitstimmen, weil in der Entlastung ein Rechtsgeschäft in Gestalt eines Verzichtsvertrags steckt (→ § 10 Rdn 338). |
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Auch bei dem Beschluss über die eigene fristlose Abberufung als Verwalter und die damit verbundene außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrags darf ein Miteigentümer nicht mitstimmen (→ § 10 Rdn 164). |
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Aber: Beim Beschluss über die eigene Bestellung oder (ordentliche) Abberufung als Verwalter oder Verwaltungsbeirat unterliegt ein Miteigentümer keinem Stimmrechtsausschluss (→ § 10 Rdn 38, 156). |
Rz. 117
Die Beschlussfassung betrifft die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen ihn (§ 25 Abs. 4 WEG) oder gegen eine mit dem Wohnungseigentümer eng verbundene Person oder Gesellschaft.
Beispiele
Binnenstreitigkeiten (Beschlussanfechtung, Regelungsklage); Beitreibung von Hausgeld; Geltendmachung von Schadensersatz; Einleitung eines Beweisverfahrens gegen den Miteigentümer-Bauträger (→ § 5 Rdn 76). Der Stimmrechtsausschluss besteht auch schon beim Beschluss über die Beauftragung eines Rechtsanwalts als vorprozessuale Maßnahme. Richtet sich der beabsichtigte Rechtsstreit gleichzeitig gegen mehrere Eigentümer, sind diese sämtlich vom Stimmverbot betroffen.
Rz. 118
Der Wohnungseigentümer ist gem. § 17 WEG rechtskräftig zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verurteilt (§ 25 Abs. 4 WEG).
Rz. 119
Stimmrechtsmissbrauch. Dieser Ausnahmefall wird meistens im Zusammenhang mit der Verwalterbestellung diskutiert, wenn ein Mehrheitseigentümer sein Stimmenübergewicht rücksichtslos durchsetzt, um einen ihm genehmen Verwalter zu installieren (Majorisierung). Dies alleine stellt aber keinen zum Stimmrechtsausschluss führenden Rechtsmissbrauch dar (→ § 10 Rdn 70). Überhaupt ist der "Stimmrechtsmissbrauch" m.E. kein Anwendungsfall eines Stimmrechtsausschlusses. Rücksichtsloses Verhalten zum Schaden der Gemeinschaft wirkt sich nicht auf das Stimmrecht aus, sondern bei der Überprüfung eines Beschlusses unter dem Gesichtspunkt der ordnungsmäßigen Verwaltung.
Rz. 120
Die einem Stimmrechtsausschluss unterliegenden Stimmen werden bei der Abstimmung nicht berücksichtigt. Dem Verwalter (Versammlungsleiter) kommt in diesem Zusammenhang eine hohe Verantwortung zu: Er muss bei jeder Abstimmung nicht nur prüfen, ob die ihm vorgelegten Vollmachten und Untervollmachten etwaige Beschränkungen beinhalten, sondern auch, ob ein Fall des Stimmrechtsauschlusses vorliegt. Das kann im Einzelfall schwer zu entscheiden sein. In kritischen Fällen sollte das Abstimmungsergebnis deshalb für den Fall späterer Überprüfung namentlich dokumentieren werden. Verkennt der Verwalter einen Stimmrechtsausschluss und verkündet ein falsches Ergebnis, ist der Beschluss anfechtbar.
Rz. 121
Wenn ein Miteigentümer vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, kann er keine andere Person zur Ausübung seines Stimmrechts bevollmächtigen. Er darf auch nicht als Vertreter anderer Miteigentümer an der Abstimmung teilnehmen. Ein Vertreter wiederum darf nicht mitstimmen, wenn er bei der betreffenden Abstimmung als Miteigentümer einem Stimmrechtsausschluss unterliegen würde; das betrifft im Wesentlichen den Verwalter. In Angelegenheiten, in denen er als Miteigentümer einem Stimmverbot unterläge (z.B., wenn es um seine Entlastung oder fristlose Abberufung geht), darf er auch nicht als Vertreter abstimmen. Bei seiner Wahl darf er aber als Vertreter mitstimmen (→ § 10 Rdn 39).
Rz. 122
Beispiel
In einer 20-köpfigen Gemeinschaft gilt bei Abstimmungen das Kopfprinzip. In der Versammlung sind 15 Eigentümer anwesend. Die 5 abwesenden Eigentümer haben dem Verwalter eine Vertretungsvollmacht erteilt. Die Abstimmung über den Antrag auf Entlastung des Verwalters ergibt 11 Ja-Stimmen (darunter die 5 des Verwalters) und 9 Nein-Stimmen. Der Verwalter verkündet als Ergebnis die Annahme des Antrags. – Die Feststellung ist falsch, der verkündete Beschluss ist rechtswidrig. Der Verwalter durfte bei dem Beschluss über seine Entlastung nicht mitstimmen (§ 25 Abs. 4 WEG an...