Rz. 80
Jeder Miteigentümer kann sich durch eine beliebige Person (oder mehrere) bei der Teilnahme an der Versammlung und bei Abstimmungen (ganz oder teilweise) vertreten lassen. Durch die Teilnahme eines Vertreters wird nicht gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit verstoßen; der Vertretene darf daneben aber nicht auch noch selber an der Versammlung teilnehmen. Die dem Vertreter erteilte Vollmacht kann allgemein gehalten und unbeschränkt sein; der vertretene Miteigentümer kann seinem Vertreter aber auch konkrete Weisungen erteilen. Der Versammlungsleiter muss derartige Weisungen bei Entgegennahme der Vollmacht zu Beginn der Versammlung vermerken, damit er bei Abstimmungen über die betreffenden Tagesordnungspunkten prüfen kann, ob sich der Vertreter bei der Abstimmung an den von der Vollmacht gesteckten Rahmen hält; im Normalfall hat die Weisung nämlich Außenwirkung und begrenzt die Vertretungsmacht. Während der Verwalter die Teilnahme "Externer" stillschweigend übergehen kann (→ § 7 Rdn 76), ist dies bei der Teilnahme eines Vertreters nicht möglich, weil die Vertretungsbefugnis schon bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit, spätestens aber bei der ersten Abstimmung geklärt sein muss.
Rz. 81
Seit dem 1.1.2020 bedürfen Vollmachten gem. § 25 Abs. 3 WEG zu ihrer Gültigkeit der Textform (→ § 7 Rdn 28). Der Vertreter kann dem Verwalter zum Nachweis seiner Bevollmächtigung bspw. einen Ausdruck der ihn bevollmächtigenden Nachricht (E-Mail oder anderweitige Textnachricht) vorlegen oder sie ihm auf seinem (mitgebrachten) Computer oder Mobiltelefon zeigen. Eine schriftliche Vollmacht ist demnach nicht mehr erforderlich, eine mündlich erteilte Vollmacht genügt hingegen nicht (mehr). In der Gesetzesbegründung ließ der Gesetzgeber offen, ob eine mündlich erteilte Vollmacht unwirksam ist oder nur zur Zurückweisung analog § 174 BGB berechtigt. Der Wortlaut ("Gültigkeit") spricht für eine Wirksamkeitsvoraussetzung mit der Folge, dass die fehlende Textform die Formnichtigkeit der Vollmacht herbeiführt (§ 125 BGB). Eine Berücksichtigung bei der Stimmabgabe scheidet deshalb aus. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass der unwirksam Bevollmächtigte (der bspw. nur mündlich bevollmächtigt wurde oder der eine ihm in Textform erteilte Vollmacht nicht vorlegen kann) auch von der Teilnahme an der Versammlung auszuschließen ist. Es kommt durchaus in Betracht, ihn trotz des fehlenden Vertretungsnachweises teilnehmen zu lassen (→ § 7 Rdn 76); nur mitstimmen darf er nicht.
Rz. 82
Das gesetzliche Textformgebot entzieht der früher vertretenen Auffassung, beim Erscheinen nur eines Ehegatten gelte dieser ohne weiteres als legitimiert, das Stimmrecht für seinen Miteigentümer, den anderen Ehegatten, auszuüben, die Grundlage. Das Gleiche gilt für alle Fällen einer Mehrheit von Eigentümern einer Einheit (Bruchteils-, Erben- oder Gütergemeinschaft). Ohne eine von allen anderen Miteigentümern formgerecht erteilte Vollmacht kann ein einzelner erschienener Wohnungseigentümer nicht für die betreffende Einheit abstimmen. Der Verwalter sollte darauf hinwirken, dass die Miteigentümer sich in diesen Fällen – am besten mit Dauerwirkung – gegenseitig in Textform bevollmächtigen.
Rz. 83
Die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung kann eine andere Form als die Textform bestimmen. Gem. § 47 WEG geht aber das aktuelle Recht vor, sofern sich aus der Teilungserklärung kein anderer Wille ergibt (→ § 7 Rdn 55). Soweit Teilungserklärungen – wie es häufig der Fall ist – für eine Vollmacht die Schriftform vorschreiben, entspricht das nur der früheren Rechtslage, weshalb sich i.d.R. kein Wille ergibt, vom geltenden Recht abzuweichen. Die Vorlage einer Vollmacht in Textform genügt also auch dann, wenn in der Teilungserklärung Schriftform vorgeschrieben ist (str.). Dieses Ergebnis wird dadurch bestärkt, dass richtigerweise auch schon nach dem alten Recht gem. § 127 Abs. 2 S. 1 BGB die telekommunikative Übermittlung einem vereinbarten Schriftformgebot genügte.
Rz. 84
Es ist üblich und sinnvoll, dem Einberufungsschreiben als Anlage ein Vollmachtsformular beizufügen.
Muster 7.9: Hinweis auf Vollmachtsformular im Einberufungsschreiben
Muster 7.9: Hinweis auf Vollmachtsformular im Einberufungsschreiben
Wenn Sie nicht an der Versammlung teilnehmen können oder wollen, empfehlen wir die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht an eine andere Person. Ein entsprechendes Formular (dessen Verwendung nicht zwingend ist) ist beigefügt. Die Vollmacht können Sie uns per Post oder elektronisch (E-Mail, Telefax usw.) übersenden oder Ihrem Vertreter mitgeben; es genügt in jedem Fall die Textform (§ 126b BGB).
Rz. 85
Weil kein Formularzwang besteht, genügt als Vollmacht aber auch jede anderweitige in Textform abgegebene Nachricht des Vollmachtgebers mit dem Inhalt der Bevollmächtigung, gleichgültig, ob diese gegenüber dem Verwalter oder gegenüber dem Vertreter abgegeben wird. Der Verwalter sollte die Vollmachten, wie eingangs erwähnt, prüfen. Da...