1. Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens
Rz. 223
Gegen einen unerwarteten Tod, etwa durch Unfall, sind Unternehmer ebenso wenig gefeit wie davor, ihre geistige Stärke und, damit verbunden, ihre rechtliche Handlungsfähigkeit zu verlieren. Soll der Fortbestand des Unternehmens nicht an derartigen Unwägbarkeiten scheitern können, ist eine angemessene Vorsorge unabdingbar. Diese schließt neben umfassenden Vollmachten selbstverständlich auch ein sinnvolles Unternehmertestament mit ein.
Rz. 224
Die klassischen Ziele des Unternehmertestaments bestehen sowohl in der Sicherung der Unternehmensfortführung als auch in der wirtschaftlichen Absicherung der Familie, insbesondere der Kinder und des überlebenden Ehegatten. Gleichzeitig gilt es oftmals, Ausgleichs-, Abfindungs- und Pflichtteilsansprüche zu reduzieren sowie die steuerlichen Belastungen möglichst gering zu halten. Gerade dieser letzte Punkt, also die anlässlich der Unternehmensnachfolge auftretenden Steuerbelastungen, legen es nahe, den ins Auge gefassten Unternehmensnachfolger zum Alleinerben zu berufen. Allein auf diese Weise lässt sich vollständig sicherstellen, dass das (steuerliche) Unternehmen insgesamt einschließlich etwa vorhandenen Sonderbetriebsvermögens auf den Unternehmensnachfolger übergeht und auf diese Weise (fiktive) Zwangsentnahmen und schlimmstenfalls eine ertragsteuerliche Betriebsaufgabe vermieden werden. Gleichzeitig ergibt sich auf diese Weise eine gute Chance, auch die erbschaftsteuerrechtlichen Privilegien (§§ 13a ff. ErbStG) nicht bereits durch eine suboptimale Gestaltung zu verspielen. Die Verteilung des nicht zum Unternehmen gehörenden Vermögens sowie die wirtschaftliche Absicherung der nicht in die Unternehmerstellung nachrückenden Erben lassen sich bei diesem Modell ohne Weiteres durch die Anordnung von Vermächtnissen erreichen. Gibt man deren Erfüllung in die Hand eines zuverlässigen Testamentsvollstreckers, stellt auch die Abwicklung aller Regel kein größeres Problem dar.
2. Erbrecht und Gesellschaftsrecht
Rz. 225
So wichtig die sorgfältige Konstruktion und Formulierung des Unternehmertestamentes ist, so wenig kann sie ihre eigentlich beabsichtigte Wirkung entfalten, wenn es an der Abstimmung von Testament und Gesellschaftsvertrag hapert. Insoweit gilt der eherne Grundsatz "Gesellschaftsrecht geht dem Erbrecht vor!" D.h.: Bei Personengesellschaften bestimmt allein der Gesellschaftsvertrag darüber, ob der Anteil eines versterbenden Gesellschafters überhaupt vererblich ist. Bei Kapitalgesellschaften ist zwar die Vererblichkeit von vornherein gegeben und kann auch durch den Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen werden. Dennoch bestehen aber vielfältige Möglichkeiten, wie den Erben bzw. Vermächtnisnehmern angefallene Gesellschaftsanteile wieder entzogen werden können; Zwangseinziehungs- bzw. Zwangsabtretungsklauseln sind gerade bei Kapitalgesellschaften weit verbreitet. Flankiert werden solche Regelungen zumeist von abfindungsbeschränkenden Vertragsklauseln, die in zulässiger Weise eine Abfindung der ausscheidenden Erben weit unter dem Verkehrswert der verlorengehenden Anteile statuieren. Umso wichtiger ist daher ein sinnvolles Ineinandergreifen der testamentarischen mit den gesellschaftsvertraglichen Anordnungen.
Rz. 226
Auch in steuerlicher Hinsicht ist eine Abstimmung zwischen Gesellschaftsvertrag und Testament unerlässlich. Gerade im Hinblick auf die bei Personengesellschaften – zu Recht – verbreiteten sog. Nachfolgeklauseln bestehen erhebliche Risiken bezüglich etwa vorhandenen Sonderbetriebsvermögens:
Rz. 227
Denn das dem Erblasser gehörende Sonderbetriebsvermögen wird unabhängig vom Gesellschaftsanteil nach allgemeinen Regeln vererbt, so dass es im Falle einer Erbenmehrheit der Erbengemeinschaft gesamthänderisch anfällt. Demzufolge werden alle Miterben automatisch entsprechend ihren jeweiligen Erbquoten auch Inhaber des Sonderbetriebsvermögens. Dies ist bei Vorliegen einer einfachen Nachfolgeklausel unproblematisch, da es zu keiner Trennung von Gesellschaftsanteil und Sonderbetriebsvermögen kommt. Alle Erben rücken (anteilig) in die Gesellschafterstellung nach und werden dadurch Mitunternehmer. Unterliegt die Nachfolge in den Gesellschaftsanteil aber einer qualifizierten Nachfolgeklausel, können nur die qualifizierten Erben Gesellschafternachfolger und damit Mitunternehmer werden. Das führt nach der Rechtsprechung zu einer anteiligen Entnahme des Sonderbetriebsvermögens im Zeitpunkt des Erbfalls. Der Umfang dieser Zwangsentnahme richtet sich nach der quotenmäßigen Beteiligung der nicht in die Gesellschafterstellung nachrückenden Miterben am Sonderbetriebsvermögen.
Rz. 228
Die Entnahme des Sonderbetriebsvermögens und die damit verbundene Aufdeckung der stillen Reserven wird (gedanklich) dem Erblasser zugerechnet. Daraus folgt zum einen, dass es sich bei den entsprechenden Einkommensteuerbelastungen um Nachlassverbindlichkeiten handelt, zum anderen, dass die Wirtschaftsgüter des (ehemaligen) Sonderbetriebsvermögens als Privatvermögen ...