Rz. 126
Die Falschlieferung (Lieferung eines aliud) ist an sich kein Mangel der Sache, diesem aber gem. § 434 Abs. 5 BGB gleich gestellt. Voraussetzung dafür ist, dass der Verkäufer die Leistung zur Erfüllung seiner Vertragspflicht erbringt und dies für den Käufer erkennbar ist. Bei einem von der Post vertauschten Paket trifft dies z.B. nicht zu. Wie sehr das aliud von der vereinbarten Ware abweicht, ob die Falschlieferung also genehmigungsfähig ist oder nicht, spielt somit grds. keine Rolle. Diese Grundsätze gelten auch für den Handelskauf. Demgemäß muss nach § 377 HGB gerügt werden, auch wenn es sich offensichtlich um eine völlig andere Ware handelt. Unterbleibt die gebotene Rüge und gilt deshalb die gelieferte Sache gem. § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt, kann der Verkäufer bei Lieferung eines höherwertigen aliuds nicht mehr als den vereinbarten Kaufpreis verlangen, da das Gesetz keine entsprechende Vertragsanpassung vorsieht.
Rz. 127
Falschlieferung ist beim Stückkauf bei einer Abweichung der gelieferten von der gekauften Sache gegeben. Beim Gattungskauf kommt es auf die Zugehörigkeit zur Gattung nach Gattungsmerkmal an (§ 243 BGB). Ob eine Falschlieferung vorliegt, beurteilt sich nach dem ausdrücklich vereinbarten oder dem Verkäufer wenigstens bekannten Vertragszweck und den danach erforderlichen Merkmalen der zu liefernden Ware.
Rz. 128
Die Lieferung einer geringeren als der vereinbarten Menge (Mankolieferung) ist ebenfalls Sachmangel, und zwar nach § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 BGB. Ob eine Mindermenge vorliegt, beurteilt sich i.d.R. nach Stückzahl, Maß und Gewicht. Bei Vorliegen einer solchen Minderlieferung, auch bei einer geringen Abweichung, ist nach § 377 HGB zu rügen. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB betrifft nur die Teilleistung (Erschwerung bzw. Ausschluss des Rücktrittsrechts) und lässt § 377 HGB unberührt. Rügt der Käufer die Minderlieferung nicht, gilt die Lieferung als genehmigt, mit der Folge, dass der Käufer das Fehlende nicht nachfordern kann und die gesamte vertraglich vereinbarte Menge bezahlen muss. Voraussetzung für die Annahme einer Minderlieferung i.S.d. § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 BGB ist aber ebenso wie bei der Falschlieferung, dass die Lieferung vom Verkäufer als vollständige Erfüllung des Vertrages ausgeführt wird und dies für den Käufer erkennbar ist, z.B. bei entsprechendem Ausweis auf dem Lieferschein. Sonst würde eine bewusste Teilleistung vorliegen, die der Käufer nach § 266 BGB zurückweisen kann, mit der Folge, dass ihm die Rechte nach § 323 BGB (Rücktritt) bzw. nach den §§ 280, 281, 286 BGB (Schadensersatz statt der Leistung bzw. Verzugsschaden) zustehen. Nimmt der Käufer die vom Verkäufer als solche ausgeführte Teilleistung an, kann er Erfüllung hinsichtlich des ausstehenden Teils verlangen. Es kommt auch eine stillschweigende Vertragsänderung auf den bereits gelieferten Teil und einen entsprechend reduzierten Kaufpreis in Betracht. Lehnt man danach die Anwendung des § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 BGB bei einer bewussten Teilleistung ab, entfällt auch die Rügeobliegenheit bzgl. der Tatsache der bloßen Teilleistung.
Rz. 129
Die Mehrlieferung (auch Zuviellieferung genannt) ist in § 434 BGB bewusst nicht geregelt, sondern nach allgemeinem Schuldrecht zu behandeln. Weil kein Sachmangel vorliegt, ist § 377 HGB unanwendbar. Der Käufer ist also in diesem Fall nicht zur Rüge verpflichtet. Der Verkäufer kann in dieser Konstellation den Kaufpreis nur für die vertraglich vereinbarte Menge verlangen, nicht für die Mehrmenge, auch nicht, wenn der Käufer die Mehrmenge behält, ohne den Verkäufer darauf aufmerksam zu machen. Die Mehrmenge ist in diesem Fall vielmehr umgekehrt nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zurückzugeben. Anders stellt sich die Rechtslage nur dar, wenn ein Kaufvertrag über die Mehrmenge geschlossen wird, und zwar durch ein stillschweigendes Angebot des Verkäufers unter Verzicht auf Zugang der Annahmeerklärung (§ 151 BGB) und Annahme durch den Käufer infolge der Ingebrauchnahme der Ware. Die bloße Nichtbeanstandung seitens des Käufers führt aber noch nicht zur Annahme eines entsprechenden Vertragsangebotes des Verkäufers.