Leitsatz (amtlich)
1. Beim Streckengeschäft hat die handelsrechtliche Mängelrüge grundsätzlich entlang der Kaufvertragsverhältnisse zu erfolgen (Anschluss an BGHZ 110, 130; Abgrenzung zu OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 21.06.2012 - 15 U 147/11).
2. Im Fall einer erkannten und genehmigten Falschlieferung besteht für den Käufer Anlass, im Rahmen des § 377 HGB besonders sorgfältig zu untersuchen, ob die gelieferte Ware in den vertragswesentlichen Eigenschaften der bestellten entspricht (Fortführung BGH ZIP 2016, 722).
3. Fragt der Käufer aufgrund eines Mangelverdachts beim Hersteller nach und gibt ihm der Hersteller eine falsche Auskunft, entlastet das den Käufer mit Blick auf die Mängelrüge nach § 377 HGB gegenüber dem Verkäufer nicht. Die Auskunft des Herstellers ist dem Verkäufer grundsätzlich nicht zuzurechnen.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 17.03.2015; Aktenzeichen 10 O 48/14) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Mannheim vom 17.03.2015 - 10 O 48/14 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist Bauunternehmerin und Dachdeckerin, die Beklagte Großlieferantin von Baumaterialien für Dachhandwerker. Die Parteien streiten über Ansprüche aus Kaufverträgen über Wärmedämmplatten.
Die Klägerin erhielt im Sommer 2012 von der Stadt P. (im Folgenden: Bauherrin) den Auftrag, die Umkleidekabinen und die Turnhalle des Schulzentrums P. mit einem neuen Dach einzudecken (laut Ausschreibung "Los 1" und "Los 2"). Nach dem Leistungsverzeichnis der Bauherrin sollten Dämmplatten vom Typ
"TEKURAT Hochleistungswärmedämmung WLG 0,022
Wärmedämmung TEKURAT Hochleistungswärmedämmung der EXTRA Klasse 2 mal Alu. beschichtet"
eingebaut werden.
Unter dieser Bezeichnung bestellte die Klägerin bei der Beklagten insgesamt 1.250 m2 Dämmplatten. Die Beklagte ihrerseits orderte Dämmplatten dieses Typs beim Hersteller. Der Hersteller lieferte am 30.08.2012 und 06.09.2012 Dämmplatten des Typs NEOPOR direkt auf der Baustelle an, auf der die Klägerin einen Subunternehmer eingesetzt hatte. Bei Anlieferung fiel dem Bauleiter der Bauherrin auf, dass die angelieferten Dämmplatten nicht dem im Leistungsverzeichnis genannten Typ entsprachen, da insbesondere die Aluminiumbeschichtung fehlte. Der Bauleiter fragte deshalb unmittelbar beim Hersteller nach, der ihm mit Schreiben vom 07.09.2012 antwortete, "dass die verbesserte TEKURAT Dämmung, ohne Alu. Beschichtung,... die besseren und schnelleren Austrocknungseigenschaften aufweist... Eine wesentliche Verbesserung des Produkts. Die Gleichwertigkeit ist nach wie vor geblieben."
Unter dem 11.09.2012 stellte die Beklagte der Klägerin insgesamt 49.385 EUR für Dämmplatten des Typs "TEKURAT HLWD Hochleistungsdämmung (...) 2 mal Alu beschichtet (...) WLG 0,022" in Rechnung.
In der Folge wurden die angelieferten Dämmplatten bei dem Bauvorhaben verwendet. Ein Jahr danach zeigten sich Unregelmäßigkeiten an den verlegten Dachfolien, woraufhin sowohl von der Bauherrin als auch von der Klägerin Gutachter beauftragt wurden. Im Zuge dessen übersandte der Hersteller mit Schreiben vom 21.03.2014 technische Prüfunterlagen zu der ursprünglich bestellten TEKURAT- und der tatsächlich gelieferten NEOPOR-Dämmung und erläuterte, bei "NEOPOR. ist die WLZ 0,031 ausgewiesen. Es ist ein sehr kleiner Unterschied... vorhanden der kaum eine verminderte Wärmedämmung darstellt. Dagegen hat die NEOPOR DÄMMUNG die bessere und schnellere Austrocknungs-Eigenschaft... Aufgrund dieser nachhaltigen Wirkung ist NEOPOR mehr als Gleichwertig." Der von der Klägerin beauftragte Sachverständige R. kam mit Gutachten vom 14. und 16.04.2014 hingegen zu dem Ergebnis, dass die angelieferte Dämmung hinsichtlich der Wärmedämmeigenschaft nicht mit dem im Leistungsverzeichnis ausgeschriebenen Produkt gleichwertig sei. Daraufhin erfolgte eine Mängelanzeige. Am 10.07.2014 schloss die Klägerin mit der Bauherrin einen Vergleich. Darin verpflichtete sich die Klägerin zur Nachbesserung und Minderung sowie zur Übernahme der der Bauherrin entstandenen Anwalts- und Gutachterkosten.
Die Klägerin hat behauptet, die von der Beklagten gelieferten Dämmplatten seien aufgrund eines geringeren Dämmwerts mangelhaft. Dieser Mangel sei für die Klägerin bei Anlieferung nicht erkennbar gewesen. Zudem habe die Beklagte sie hinsichtlich der Mangelhaftigkeit der Dämmplatten arglistig getäuscht, da sie sich die Angaben des Herstellers zurechnen lassen müsse. Ferner hätten die gelieferten Dämmplatten einen wesentlich geringeren als den von der Beklagten abgerechneten Wert. Die Klägerin hat im Einzelnen fo...