Rz. 83
Beispiel
Reparaturkosten laut Gutachten, brutto |
8.000 EUR |
zzgl. merkantile Wertminderung |
1.000 EUR |
Reparaturaufwand, brutto |
9.000 EUR |
Wiederbeschaffungswert, brutto |
6.000 EUR |
abzgl. Restwert, brutto |
1.000 EUR |
Wiederbeschaffungsaufwand, brutto |
5.000 EUR |
Rz. 84
Überschreitet der Reparaturaufwand den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 %, kann der Geschädigte lediglich auf Ersatzbeschaffungsbasis den Wiederbeschaffungsaufwand geltend machen, da eine Reparatur des Fahrzeugs von vornherein wirtschaftlich unvernünftig und der Geschädigte insoweit nicht schutzwürdig ist (BGH VersR 1992, 64 = NJW 1992, 305; VersR 2007, 1244 = NJW 2007, 2917 = r+s 2007, 433 m. Anm. Lemcke; Wellner, Kfz-Schadensabrechnungs-Übersicht, NZV 2007, 401; Schneider, in: Berz/Burmann, Kap. 5 A Rn 34). Da sich die Reparaturkosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen (innerhalb der 130-%-Grenze liegenden) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden unvernünftigen (oberhalb der 130-%-Grenze liegenden) Teil aufspalten lassen, kommt es weder auf die tatsächliche Durchführung einer Reparatur noch auf die Weiternutzung des Fahrzeugs an.
Rz. 85
Beispiel
Der Geschädigte erhält in unserem Beispiel (siehe Rdn 83) lediglich den Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 5.000 EUR ersetzt, ohne nachgewiesene Ersatzbeschaffung nur netto, d.h. abzüglich des im kalkulierten Wiederbeschaffungswert enthaltenen Mehrwertsteuerbetrages.
Rz. 86
Inzwischen höchstrichterlich geklärt ist eine Ausnahme von dem vorgenannten Grundsatz: Gelingt es dem Geschädigten trotz der durch den Sachverständigen vorgenommenen Kalkulation eines oberhalb von 130 % des Wiederbeschaffungswertes liegenden Reparaturaufwandes, sein Fahrzeug auf einem alternativen und kostengünstigeren Weg – z.B. durch die Verwendung von Gebrauchtteilen – vollständig und fachgerecht ohne verbleibende Defizite im Rahmen der 130-%-Grenze zu reparieren, erhält er jedenfalls die tatsächlich entstandenen, unterhalb des Wiederbeschaffungswertes (also in der sog. 100-%-Grenze) liegenden Reparaturkosten ersetzt (BGH v. 14.12.2010 – VI ZR 231/09 – VersR 2011, 282 = zfs 2011, 144 = r+s 2011, 222 m. Anm. Lemcke; BGH v. 15.11.2011 – VI ZR 30/11 – VersR 2012, 75).
Rz. 87
Beispiel
Dem Geschädigten gelingt es in unserem Beispiel (siehe Rdn 83), die tatsächlichen Kosten einer vollständigen und fachgerechten Reparatur durch die Verwendung von Gebrauchtteilen in einer Werkstatt mit günstigeren Stundenverrechnungssätzen gegenüber den kalkulierten 8.000 EUR auf 4.900 EUR zu reduzieren. Er erhält sodann den Reparaturaufwand i.H.v. 5.900 EUR ersetzt (4.900 EUR tatsächliche Reparaturkosten zzgl. 1.000 EUR merkantiler Minderwert), weil dieser unterhalb des Wiederbeschaffungswerts liegt.
Rz. 88
Offen gelassen hatte der BGH in einer früheren Entscheidung (BGH VersR 2007, 1244) die Frage, ob dies auch bei tatsächlichen Reparaturkosten oberhalb des Wiederbeschaffungswertes bis zur 130-%-Grenze gilt. Darauf lässt die jüngere Entscheidung des BGH schließen (BGH v. 8.2.2011 – VI ZR 79/10 – VersR 2011, 547 = r+s 2011, 224; so zuvor bereits OLG München NZV 1990, 69 f.; OLG Dresden DAR 1996, 54; OLG Karlsruhe DAR 1999, 313; OLG Düsseldorf DAR 2001, 303; OLG Hamm DAR 2002, 215; OLG München NZV 2010, 400; LG Oldenburg DAR 2002, 223).
Rz. 89
Beispiel
Dem Geschädigten gelingt es in unserem Beispiel (siehe Rdn 83), die tatsächlichen Kosten einer vollständigen und fachgerechten Reparatur durch die Verwendung von Gebrauchtteilen in einer Werkstatt mit günstigeren Stundenverrechnungssätzen gegenüber den kalkulierten 8.000 EUR auf 6.500 EUR zu reduzieren. Er erhält sodann den Reparaturaufwand i.H.v. 7.500 EUR ersetzt (6.500 EUR tatsächliche Reparaturkosten zzgl. 1.000 EUR merkantiler Minderwert), weil dieser 130 % des Wiederbeschaffungswertes nicht überschreitet.
Allerdings soll dies dann nicht gelten, wenn der Geschädigte nur wegen eines ihm gewährten Rabatts die Reparaturkosten unter die 130-%-Grenze senken kann (BGH v. 8.2.2011 – VI ZR 79/10 – VersR 2011, 547 = r+s 2011, 224). Hierbei kommt es zu nicht ohne weiteres nachvollziehbaren Wertungswidersprüchen (vgl. im Einzelnen Rdn 345).