A. Vorbemerkung
Rz. 1
Die Schadensersatzansprüche des Geschädigten werden üblicherweise untergliedert in
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Sachschäden (materielle Schäden) und |
▪ |
Personenschäden (materielle und immaterielle Schäden). |
Auch in der praktischen Bearbeitung eines Schadenfalles sollte diese Unterscheidung beibehalten bleiben.
Rz. 2
Der Geschädigte kann gem. § 249 Abs. 1 BGB Wiederherstellung des Zustandes verlangen, der ohne den Unfall bestehen würde. Dient als Haftungsgrundlage ausschließlich die Gefährdungshaftung nach § 7 StVG, ist die Haftung für Sach- und Personenschäden der Höhe nach begrenzt auf den Betrag von 1.000.000 EUR (300.000 EUR bis 17.12.2007) bei Sachschäden, § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG, und 5.000.000 EUR (600.000 EUR bzw. – bei mehreren Personen – 3.000.000 EUR bis 17.12.2007) bei Personenschäden, § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG. Zu den Haftungshöchstgrenzen vgl. die Ausführungen oben (siehe § 2 Rdn 265 ff.).
Rz. 3
Beansprucht der Geschädigte darüber hinausgehende Beträge für den Sachschaden oder macht er über die Haftungshöchstgrenzen des StVG hinausgehende Personenschäden geltend, muss auch für Unfälle, die sich nach dem 1.8.2002 ereignet haben, ein Verschulden gem. §§ 823 ff. BGB bzw. § 253 Abs. 2 BGB festgestellt werden.
B. Überblick zum Fahrzeugschaden
Rz. 4
Der Fahrzeugschaden (vgl. Anlage 8 im Anhang: Berechnungsbogen Fahrzeugschaden, siehe § 14 Rdn 11) umfasst sämtliche Schäden, die unmittelbar an dem am Unfall beteiligten Fahrzeug des Mandanten – sei es Pkw, Lkw, Krad oder Fahrrad – eingetreten sind. Zum Fahrzeug gehören auch alle mit ihm fest verbundenen Teile, wie z.B. Radio- und/oder CD-Anlage, optisches oder technisches Tuning, Anhängerkupplung, Spoiler usw. Nicht dazu gehören in das Fahrzeug verbrachte Gegenstände. Sie sind schadensrechtlich getrennt zu behandeln.
Rz. 5
Je nach Umfang der Beschädigungen ist das Fahrzeug noch zu reparieren und es kommt Wiederherstellung in Betracht, oder es liegt Totalschaden vor, sodass es nur um die Anschaffung einer gleichwertigen Sache gehen kann.
Rz. 6
Dabei steht die Schadenregulierung stets unter dem Aspekt des Verbotes der Besserstellung, des Wirtschaftlichkeitspostulats und der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB. Die vom Schädiger zu ersetzenden Aufwendungen bemessen sich danach, was vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Eigentümers in der besonderen Lage des Geschädigten zweckmäßig und angemessen erscheint (BGH NJW 1970, 1454; 1972, 1800; 1975, 160; NJW 1992, 302). Das ergibt sich aus dem Begriff der "Erforderlichkeit" des § 249 Abs. 2 BGB. Daher kann der Geschädigte unter bestimmten Voraussetzungen auch dann die Kosten einer Reparatur ersetzt verlangen, wenn sie den Wiederbeschaffungswert maßvoll, d.h. bis zu 30 %, überschreiten, und der Geschädigte zeigt, dass er sein Integritätsinteresse an der Erhaltung des beschädigten Gegenstandes durch eine sachgerechte Reparatur geschützt sehen will (vgl. Rdn 75 ff.).
C. Feststellung des Fahrzeugschadens
Rz. 7
Grundlage jeglicher Schadensermittlung zum unmittelbaren Fahrzeugschaden sollte regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens sein. Dessen Feststellungen sind entscheidend für die Frage, ob der Geschädigte die erforderlichen Reparaturkosten abrechnen darf oder lediglich eine Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis möglich ist.
Rz. 8
Soll fiktiv abgerechnet werden, muss die Höhe des Schadensersatzes ohnehin auf anderem Wege als durch Vorlage einer Reparaturrechnung erfolgen. In Betracht kommt die Vorlage eines Sachverständigengutachtens (BGH NJW 1989, 3009 ff.) oder eines Kostenvoranschlages.
I. Nachweis durch Sachverständigengutachten
1. Allgemeines
Rz. 9
Das Sachverständigengutachten nach einem Verkehrsunfall hat zwei Funktionen:
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Beweisfunktion: Das Sachverständigengutachten dient dem Beweis der unfallbedingten Fahrzeugschäden. |
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Schadensfeststellungsfunktion: Mit Hilfe der gutachterlichen Feststellungen können die notwendigen Reparaturkosten und deren Umfang bzw. der Wiederbeschaffungsaufwand bestimmt werden. |
Das Sachverständigengutachten ist in jedem Falle ein Parteigutachten. So lange von der Gegenseite keine konkreten Einwände gegen die Richtigkeit des Gutachtens erhoben werden, haben die Gerichte von der Richtigkeit des Sachverständigengutachtens auszugehen (LG Berlin DAR 1998, 354).
Rz. 10
Nach der Rechtsprechung (LG Kleve zfs 1999, 239; LG München SP 1996, 82) verhält es sich ebenso bei der Frage, ob der Geschädigte dulden muss, dass der Versicherer sein Fahrzeug nachbesichtigt bzw. ein Gegengutachten erstellt. Dieses ist nur dann für den Geschädigten verpflichtend, wenn der Versicherer beweisbare Mängel des Gutachtens aufzeigen kann.
a) Kaskoschäden (Sachverständigenverfahren nach AKB)
Rz. 11
Bei Kaskoschäden hat der Versicherer nach § 7 III sowie § 13 Abs. 7 S. 2 AKB bzw. A.2.8 sowie E.3.2 AKB 2008 das Recht, den Sachverständigen zu bestimmen (siehe auch Rdn 302 ff., § 13 Rdn 247).
Rz. 12
Besteht Uneinigkeit über die vom Sachverständigen geschätzte Höhe des Schadens, ist nach § 14 AKB bzw. A.2.17 AKB 2008 das dort geregelte "Sachverständigenverfahren" (vgl. dazu § 13 Rdn 268 f.) durchzuführen. Es entscheidet dann ein Sachverständigenausschuss, der aus zwei Mitgliedern be...