A. Auskunftspflicht
Rz. 1
Neben der Verpflichtung des Arbeitnehmers, auf zulässig gestellte Fragen des Arbeitgebers wahrheitsgemäß zu antworten, besteht unter bestimmten Voraussetzungen sogar die Verpflichtung des Bewerbers, auch ungefragt auf Umstände hinzuweisen. Der Arbeitnehmer muss ohne eine entsprechende Frage des Arbeitgebers bei Einstellungsverhandlungen von sich aus allerdings nur auf solche Tatsachen hinweisen, deren Mitteilung der Arbeitgeber nach Treu und Glauben erwarten darf. Eine solche Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers ist an die Voraussetzung gebunden, dass die Umstände dem Arbeitnehmer die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht unmöglich machen oder sonst für den in Betracht kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind (BAG v. 21.2.1991 – 2 AZR 449/90, DB 1991, 1934 = NZW 1991, 719). Die Offenbarungspflicht des Bewerbers ist also enger als das Fragerecht des Arbeitgebers. Folgende Einzelfälle sind zu erwähnen:
B. Gesundheitsbeeinträchtigung
Rz. 2
Ein an einer Krankheit leidender Bewerber ist verpflichtet, den Arbeitgeber ungefragt zu informieren, wenn er erkennt, dass er aufgrund seiner Krankheit die vorgesehenen Arbeiten nicht erbringen kann oder seine Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist (BAG v. 1.8.1985 – 2 AZR 101/83, DB 1986, 2238; BAG v. 28.3.1974, DB 1974, 1531; BAG v. 27.3.1991, DB 1991, 2144; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 325). Zu bejahen ist eine Offenbarungspflicht z.B. auch beim alkoholabhängigen Kraftfahrer (vgl. ArbG Kiel v. 21.1.1982, BB 1982, 804). Leidet ein Arbeitnehmer an einer ansteckenden Erkrankung, die unter die Anzeigepflicht des § 6 IfSG fällt, besteht gegenüber dem Arbeitgeber gem. § 241 Abs. 2 BGB eine Offenbarungspflicht.
C. Schwerbehinderung
Rz. 3
Eine bestehende Schwerbehinderung muss ein Bewerber nur dann von sich aus offenbaren, wenn er die angestrebte Tätigkeit wegen der Art seiner Behinderung überhaupt nicht ausüben kann oder die durch eine Behinderung verursachte Leistungsminderung für den Arbeitsplatz von entscheidender Bedeutung ist (BAG v. 25.3.1976, AP BGB § 123 Nr. 19; BAG v. 1.8.1985 – 2 AZR 101/83, NZA 1986, 635; LAG Düsseldorf v. 6.3.1991 – 4 Sa 1615/90, NZA 1991, 674).
D. Schwangerschaft
Rz. 4
Eine Offenbarungspflicht bzgl. einer bestehenden Schwangerschaft besteht nicht. Dies gilt sogar für den Fall, dass eine schwangere Bewerberin zur Vertretung einer im Mutterschaftsurlaub befindlichen Mitarbeiterin eingestellt werden soll und für die Bewerberin schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses feststeht, dass sie aufgrund der Schwangerschaft während eines wesentlichen Teiles der Vertragslaufzeit ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können wird (EuGH v. 14.7.1994 – C 32/93, NJW 1995, 123; EuGH v. 4.10.2001, EzA Nr. 16 und Nr. 17 zu § 611a BGB).
E. Bevorstehende Arbeitsausfälle
Rz. 5
Der Bewerber muss den Arbeitgeber ungefragt über bevorstehende Arbeitsausfälle, etwa durch Antritt einer Haftstrafe, einer bewilligten Kur sowie einer geplanten Operation informieren (LAG Berlin v. 14.8.1978, BB 1979, 1145).
F. Wettbewerbsverbote
Rz. 6
Auf bestehende einschlägige Wettbewerbsverbote, die sich auf die auszuübende Tätigkeit beziehen, muss der Arbeitnehmer von sich aus hinweisen, da sich hieraus u.U. eine erhebliche Beeinträchtigung der geschuldeten Arbeitsleistung ergibt (vgl. zum Wettbewerbsverbot § 21 Rdn 1847 ff.).
Rz. 7
Soweit der Bewerber seinen Mitteilungs- und Offenbarungspflichten nicht nachkommt, wird zum einen eine Anfechtung des Arbeitsvertrags (§§ 119, 123 BGB) in Betracht kommen, da es sich i.d.R. um wesentliche Eigenschaften in der Person des Arbeitnehmers handeln wird oder sogar eine arglistige Täuschung durch den Bewerber vorliegt. Zum anderen ist der Bewerber bei schuldhafter Verletzung der Mitteilungspflichten dem Arbeitgeber u.U. zum Schadensersatz wegen Verschulden bei Vertragsschluss verpflichtet.