Rz. 257
Unrichtige Erbscheine "hat" das Nachlassgericht von Amts wegen einzuziehen. Das Gericht ist dabei nach § 26 FamFG verpflichtet, Ermittlungen über die Richtigkeit eines Erbscheins anzustrengen, soweit Anhaltspunkte für einen Einziehungsgrund gegeben sind.
1. Voraussetzungen der Einziehung
a) Zuständigkeit
Rz. 258
Zuständig für die Einziehung eines Erbscheins ist das Nachlassgericht, das den Erbschein erteilt hat. Dies gilt sowohl für die örtliche, die internationale als auch die funktionelle Zuständigkeit. Insoweit ist der Richter, der einen Erbschein erteilt hat, auch für das Einziehungsverfahren zur Entscheidung berufen, § 16 Abs. 1 Nr. 7 RPflG. Hat ein örtlich unzuständiges Gericht einen Erbschein erteilt, so ist es für das Einziehungsverfahren gleichwohl zuständig. Würde die Einziehung beim tatsächlich zuständigen Gericht "beantragt" (angeregt) werden, so wäre dieses verpflichtet, den Vorgang an das Gericht, das den Erbschein erteilt hat, weiterzuleiten. Eine diesbezügliche Verweisung gem. § 3 FamFG ist ggf. anzuregen (vgl. Muster Rdn 263).
b) Muster: Antrag auf Verweisung an das zuständige Amtsgericht
Rz. 259
Muster 7.54: Antrag auf Verweisung an das zuständige Amtsgericht
Muster 7.54: Antrag auf Verweisung an das zuständige Amtsgericht
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Nachlasssache _________________________
Az. _________________________
Einziehung des Erbscheins
Nachdem der Erbschein vom örtlich unzuständigen Amtsgericht _________________________ erteilt worden ist, rege ich an, das Einziehungsverfahren gem. § 3 FamFG an das gem. § 2361 BGB zuständige Nachlassgericht _________________________ zu verweisen.
(Rechtsanwalt)
c) Voraussetzungen im Einzelnen
Rz. 260
▪ |
Vorliegen eines erteilten Erbscheins |
▪ |
Erbschein muss bereits ausgehändigt sein |
▪ |
Unrichtigkeit des Erbscheins |
aa) Formelle Fehlerhaftigkeit
Rz. 261
Bei schweren Verfahrensfehlern, insbesondere beim Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen, ist auch ein materiell richtiger Erbschein einzuziehen (h.M., die über den Wortlaut des § 2361 BGB hinausgeht; vgl. Muster Rdn 263).
Beispiele aus der Rechtsprechung:
▪ |
Erteilung abweichend vom Antrag oder ohne Antrag; |
▪ |
Antragstellung durch einen nicht antragsberechtigten Beteiligten (jedoch kann dieser Verstoß geheilt werden, wenn der Antragsberechtigte die Erteilung des Erbscheins nachträglich ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt); |
▪ |
Zuständigkeitsverstöße: Bei Verstößen gegen die örtliche Zuständigkeit sind auch sachlich richtige Erbscheine einzuziehen. Sonst bestünde die Gefahr widersprechender Erbscheine, da auch beim örtlich zuständigen Gericht ein Erbschein erteilt werden könnte. Bei Verstößen gegen die funktionelle Zuständigkeit ist zu differenzieren:
▪ |
Ein Einziehungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtspfleger einen Erbschein aufgrund gewillkürter Erbfolge erteilt, wenn hier nicht die Möglichkeit der Übertragung durch den Richter gem. §§ 8 Abs. 4, 16 Abs. 3 RPflG bestand. |
▪ |
Dagegen ist der Erbschein nicht einzuziehen, wenn deutsches Erbrecht anwendbar ist und der Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen war. Dazu führte das BayObLG aus: |
|
Zitat
"Hat der Rechtspfleger einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge nach deutschem Recht erteilt, so ist dieser nicht unrichtig, auch wenn für die Entscheidung über die Erteilung der Richter zuständig gewesen wäre, weil ein Beteiligter das Vorliegen eines Testaments behauptet hat. Das Nachlassgericht darf einen Erbschein nicht schon deshalb einziehen, weil sich aufgrund neuer Umstände oder vorläufiger Ermittlungen die Möglichkeit seiner Unrichtigkeit ergibt. Es darf über die Einziehung erst entscheiden, nachdem es den für die Beurteilung der Richtigkeit maßgeblichen Sachverhalt abschließend aufgeklärt hat."
Rz. 262
Hinweis
Die Einziehung erfolgt von Amts wegen. Ein in der Praxis üblicher "Antrag" eines Beteiligten ist als Anregung zu werten, § 24 FamFG.
bb) Muster: "Antrag" auf Einziehung eines Erbscheins wegen formeller Fehlerhaftigkeit
Rz. 263
Muster 7.55: Antrag auf Einziehung eines Erbscheins wegen formeller Fehlerhaftigkeit
Muster 7.55: "Antrag" auf Einziehung eines Erbscheins wegen formeller Fehlerhaftigkeit
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Nachlasssache _________________________
Az. _________________________
Einziehung des Erbscheins
In der Nachlasssache _________________________, verstorben am _________________________ in _________________________, beantrage ich namens und im Auftrag meines Mandanten _________________________, den vom Amtsgericht _________________________ am _________________________ der Witwe des Erblassers, _________________________, erteilten Erbschein einzuziehen.
Unabhängig davon, ob der Erbschein materiell-rechtlich in Ordnung ist, hätte er so nicht erteilt werden dürfen, weil ein entsprechender Antrag der _...