Rz. 88
Zitat
BeamtStG § 26; VwGO § 121
1. Der Umfang der Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes wird von dessen Regelungsinhalt bestimmt und durch diesen begrenzt. Der Regelungsinhalt der Versetzung eines unfallverletzten Beamten in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit erstreckt sich nicht auf die Frage, ob und für welchen Zeitraum die Dienstunfähigkeit eine adäquate Folge des Unfalls ist.
2. An rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten sind Zivilgerichte nur im Rahmen der in § 121 VwGO geregelten Rechtskraftwirkung gebunden. Gegenüber Personen, die an dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt waren und denen somit in diesem Verfahren auch kein rechtliches Gehör gewährt wurde, kann eine gerichtliche Entscheidung in einem späteren Schadensersatzprozess grundsätzlich keine Bindungswirkung entfalten.
a) Der Fall
Rz. 89
Die klagende Gemeinde machte als Dienstherrin des durch einen Dienstunfall geschädigten Beamten G. Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht gegen den Beklagten geltend.
Rz. 90
Am 2.8.2010 kam es zwischen dem als Ordnungsbeamten eingesetzten G. und dem alkoholisierten Beklagten zu einer Auseinandersetzung, im Rahmen derer G. nach hinten auf den Boden fiel. G. war in der Zeit vom 3.8.2010 bis zum 31.3.2012 krankheitsbedingt nicht im Dienst. In diesem Zeitraum zahlte die Klägerin Bezüge in Höhe von 65.915,68 EUR an G. Mit Bescheid vom 1.3.2012 wurde G. mit Wirkung zum 1.4.2012 in den Ruhestand versetzt; ab diesem Zeitpunkt wurde die Zahlung der Bezüge von der Rheinischen Versorgungskasse (RVK) übernommen. Mit Urteil des VG Trier v. 30.9.2014 wurde G. ab dem 1.4.2012 ein erhöhtes Unfallruhegehalt nach § 37 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) gewährt, da G. aufgrund des Dienstunfalls dauernd dienstunfähig und bei Versetzung in den Ruhestand infolge des Dienstunfalls in der Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 % beschränkt gewesen sei.
Rz. 91
Mit der Behauptung, dass der Beklagte den Beamten G. bei der Auseinandersetzung geschlagen habe, weshalb dieser körperliche und psychische Folgeschäden erlitten habe, die zur Dienstunfähigkeit sowie zur Versetzung in den Ruhestand geführt hätten, hat die Klägerin im Wege der Leistungsklage von dem Beklagten Ersatz der von ihr an G. gezahlten Bezüge in Höhe von 65.915,68 EUR nebst Zinsen und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Ferner hat sie die Feststellung begehrt, dass der Beklagte zum Ersatz weiterer Aufwendungen verpflichtet sei, die die Klägerin infolge des Vorfalls vom 2.8.2010 an G. bereits erbracht habe oder noch erbringen werde.
Rz. 92
Der Beklagte hat behauptet, dass G. nicht aufgrund des Vorfalls vom 2.8.2010 dienstunfähig geworden sei, sondern seinen Dienst nicht mehr habe verrichten wollen.
Rz. 93
Das LG hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 17.283,48 EUR nebst Zinsen zu zahlen sowie sie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es ist aufgrund der Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass G. von dem Beklagten geschlagen wurde und dadurch Prellungen im Wirbelsäulenbereich und am Kiefer davontrug. Nach dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten sei aber lediglich ein Dienstunfähigkeitszeitraum von sechs Monaten adäquat kausal auf das Schadensereignis zurückzuführen, so dass der Beklagte die von der Klägerin an G. gezahlten Bezüge nur für sechs Monate nach dem Vorfall zu erstatten habe. Das OLG hat die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung ihres Rechtsmittels wandte sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 94
Das Berufungsurteil hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Entgegen der Ansicht der Revision ließ sich die Annahme einer unfallbedingten Dienstunfähigkeit des G. von mehr als sechs Monaten nicht aus einer Bindungswirkung der "Bescheide" vom 10. Januar und 1.3.2012 und des Urteils des VG Trier vom 30.9.2014 herleiten.
Rz. 95
Dem Beamten G. stand gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen der von den Vorinstanzen festgestellten Körperverletzung aus § 823 Abs. 1 BGB zu, der auch den unfallbedingten Verdienstausfall erfasst. Dieser Anspruch war gemäß § 72 Abs. 1 S. 1 Beamtengesetz Rheinland-Pfalz auf die Klägerin als Dienstherrin insoweit übergegangen, als diese während einer auf der gesundheitlichen Schädigung beruhenden Dienstunfähigkeit oder infolge der gesundheitlichen Schädigung dem G. gegenüber zu Leistungen (hier: Fortzahlung der Bezüge) verpflichtet war. Die Klägerin hatte daher neben ihrer Leistungspflicht zur Fortzahlung der Bezüge darzulegen und zu beweisen, dass dem Beamten G. gegen den Beklagten für den gesamten von der Klägerin geltend gemachten Zeitraum vom 3.8.2010 bis zum 31.3.2012 ein Anspruch auf Ersatz des (normativen) Verdienstausfallschadens aus § 823 Abs. 1 BGB zustand, dass also die Dienstunfähigkeit des G. während dieses ges...