Patricia Goratsch, Florian Enzensberger
Rz. 217
Die Testierfreiheit wird eingeschränkt, wenn das landwirtschaftliche Sondererbrecht (Anerbenrecht) zur Anwendung kommt. Das Anerbenrecht stellt eine Sonderregelung der Erbfolge für land- und forstwirtschaftliche Betriebe dar, das darauf ausgerichtet ist, die Zerschlagung von landwirtschaftlichen Höfen durch den Erbfall zu vermeiden. Immer dann, wenn sich landwirtschaftliches Vermögen im Nachlass des Erblassers befindet, besteht die Möglichkeit, dass es zu einer sog. Nachlassspaltung kommt und zwar für den Fall, dass für den Erbgang des Hofes Sondererbrecht herangezogen wird. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es allerdings kein einheitliches Anerbenrecht. Findet eine Höfeordnung Anwendung, so kann der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung über zwei separate Vermögensmassen disponieren. Einerseits kann der Erblasser Anordnungen für sein Hofvermögen treffen, wobei hierfür die Höfeordnung einschlägig ist. Andererseits kann er über das restliche Vermögen entsprechend den Vorschriften des BGB bestimmen.
Rz. 218
Kommt die Höfeordnung nicht zur Anwendung, dann kann die Vererbung des Hofes durch Anordnung des Erblassers im Wege der letztwilligen Verfügungen oder nach dem Grundstückverkehrsgesetz erfolgen. Dies bewirkt jedoch keine Nachlassspaltung. Hat der Erblasser angeordnet, dass einer der Miterben das Recht haben soll, ein zum Nachlass gehörendes Landgut zu übernehmen (§ 2049 BGB), so führt dies lediglich zu einem schuldrechtlichen Übertragungsanspruch gegenüber der Erbengemeinschaft. Diesen Übernahmeanspruch kann der Miterbe durch das Zuweisungsverfahren des Grundstückverkehrsgesetz (§§ 13 ff. GrdstVG) geltend machen.
Rz. 219
Die Abfindung der weichenden Erben errechnet sich in diesem Fall aus dem Ertragswert des Landguts. Es entsteht eine Gesamtrechtsnachfolge nach BGB mit einem Übernahmerecht durch den Hofnachfolger und einer Abfindungsregelung für die weichenden Erben. Die Berechnung des Ertragswerts unterliegt landesrechtlichen Bestimmungen (Art. 137 EGBGB). Für die Qualifikation als Landgut und die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebs kommt es ausschließlich auf die Verhältnisse zurzeit des Erbfalls an.
Rz. 220
Kommt weder das Höferecht zur Anwendung und liegt auch kein Landgut vor, kann ein Miterbe, wenn kraft gesetzlicher Erbfolge eine Erbengemeinschaft entstanden ist, zu der auch ein landwirtschaftlicher Hof zählt, ebenfalls die Zuweisung des Hofes gem. § 13 GrdstVG beantragen. Zuständig ist das Landwirtschaftsgericht – Amtsgericht –. Hierzu ist ein förmlicher Antrag eines Miterben auf Zuweisung erforderlich. Außerdem muss die Erfolglosigkeit eines Einigungsversuches nachgewiesen werden. Ein gleichzeitig laufendes Teilungsversteigerungsverfahren kann für die Dauer des Zuweisungsverfahren eingestellt werden (§ 185 Abs. 1 ZVG).
Rz. 221
Ein Hof i.S.d. HöfeO liegt vor, wenn
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der Wirtschaftswert des Hofs 10.000 EUR beträgt oder |
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der Besitzer eines Hofes mit einem Wirtschaftswert von 5.000 EUR bis 10.000 EUR erklärt, dass der Hof die Hofeigenschaft erhalten und den Bestimmungen der HöfeO unterliegen soll; |
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der Hof im Alleineigentum einer natürlichen Person oder von Ehegatten steht; |
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der Hofvermerk im Grundbuch eingetragen ist. |
Rz. 222
Wirtschaftswert ist dabei der Einheitswert minus dem Wohnungswert, da sich der Einheitswert einer land- und forstwirtschaftlichen Besitzung gem. § 48 BewG aus dem Wirtschaftswert (§ 46 BewG) und dem Wohnungswert (§ 47 BewG) zusammensetzt.
Rz. 223
Sofern der Erblasser keine andere Hoferbenbestimmung trifft, was ihm gem. § 7 HöfeO ohne Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis möglich ist, stellt § 5 HöfeO folgende Rangordnung der Hoferben auf: – in erster Linie sind die Kinder des Erblassers und deren Abkömmlinge zu Hoferben berufen, – in zweiter Linie der Ehegatte, – in dritter Linie die Eltern des Erblassers, wenn der Hof von ihnen oder aus ihrer Familie stammt, – und danach die Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge. Diese Regelung wird in § 6 HöfeO dahin präzisiert, dass sich der Alleinerbe aus der Zahl der Abkömmlinge aufgrund nachstehender Kriterien in folgender Reihenfolge bestimmt:
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Bewirtschaftungsübertragung, |
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Ausbildung, |
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Beschäftigung und |
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Jüngster oder Ältester je nach dem in der Gegend bestehenden Brauch. |
Rz. 224
Innerhalb dieser Hoferbenordnung scheidet als Hoferbe aus, wer nicht wirtschaftsfähig ist. Wirtschaftsfähig ist derjenige, der nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, nach seinen Kenntnissen und seiner Persönlichkeit in der Lage ist, den Hof selbstständig zu bewirtschaften (§ 6 Abs. 7 HöfeO). Nach § 10 HöfeO vererbt sich der Hof nach der bürgerlich rechtlichen Erbfolge, wenn kein gesetzlicher Hoferbe vorhanden ist und durch den Erblasser keine Hoferbenbestimmung erfolgte (sog. verwaister Hof).
Rz. 225
Die übrigen Miterben, die nicht Hoferben geworden sind, müssen sich gem. § 4 S. 2 HöfeO mit dem Hofwert begnügen. Hieraus berechnet sich eine Abfindung gege...