Rz. 40
Der Gläubiger – dies ist in der Rechtsberaterhaftung der geschädigte Auftraggeber oder ein geschützter Dritter – hat die Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, sobald er von seiner Vermögensbeeinträchtigung, ihrer Ursache (z.B. der Pflichtverletzung des Rechtsberaters) und ihrem Urheber so viel erfährt, dass er eine hinreichend aussichtsreiche – nicht unbedingt risikolose – und daher zumutbare Klage auf Schadensersatz oder zumindest auf Feststellung einer Ersatzpflicht erheben kann. Erforderlich ist, dass der Geschädigte aufgrund seines Kenntnisstandes eine solche Klage schlüssig begründen kann.
Für die Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. war maßgeblich die Kenntnis der Tatsachen, die bei richtiger Verknüpfung und rechtlicher Einordnung die Feststellung der Ersatzpflicht einer bestimmten Person erlauben; danach hing der Verjährungsbeginn nicht davon ab, dass der Geschädigte alle Einzelheiten des schädigenden Ereignisses, des weiteren Ursachenverlaufs und des Schadensbildes nach Art und Umfang kennt. Ob der Geschädigte die ihm bekannten Tatsachen zutreffend rechtlich würdigt, ist danach aus Gründen der Rechtssicherheit für den Verjährungsbeginn unerheblich. Deswegen kommt es insoweit im Regelfall nicht darauf an, ob der Geschädigte die Rechtswidrigkeit des Geschehens, das Verschulden des Schädigers und den Kausalverlauf zutreffend einschätzt; rechtliche Fehlvorstellungen kann der Geschädigte regelmäßig durch Einholung von Rechtsrat vermeiden. Ausnahmen wurden auch bislang schon gemacht, wenn die Rechtslage unübersichtlich oder zweifelhaft ist. In diesem Fall kann Rechtsunkenntnis des Geschädigten den Verjährungsbeginn hinausschieben, weil ihm die sofortige Klageerhebung nicht zuzumuten ist. Deswegen hat ein Geschädigter, der als Zeuge in einem Strafverfahren wegen betrügerischer Vermittlung von Warenterminoptionen vernommen wird, damit i.d.R. noch keine hinreichende Kenntnis von der Schadenshandlung und dem Schädiger erlangt.
Rz. 41
Zu den Umständen, die einen (entstandenen) Anspruch begründen und deren Kenntnis den Verjährungsbeginn auslöst, gehören die Tatsachen, aus denen sich die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage ergeben.
Dazu gehört bei einem Schadensersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt oder anderen Rechtsberater der Tatsachenkern bzgl. der Pflichtverletzung und der dadurch verursachten Schädigung des Mandanten oder eines geschützten Dritten. Eine Kenntnis dieser Umstände setzt nicht voraus, dass der Geschädigte alle Einzelheiten der Pflichtverletzung, des weiteren Ursachenverlaufs und des Schadens nach Art, Umfang und Hilfe übersieht. Vielmehr genügt es insoweit, dass dem Geschädigten bekannt ist, dass durch eine Pflichtverletzung des Rechtsberaters irgendein Schaden – nicht nur eine Vermögensgefährdung – entstanden ist.
Insb. in Fällen der Amts- und Notarhaftung, deren Verjährung sich nach altem Recht ebenfalls nach § 852 Abs. 1 BGB a.F. richtete, wurde angenommen, dass sich der Verjährungsbeginn hinausschieben kann, wenn eine für den Gläubiger des Anspruchs unklare oder unübersichtliche Rechtslage besteht. Dann kann es sein, dass dem Gläubiger die Klageerhebung noch nicht zumutbar ist. Klärt sich die Rechtslage allerdings dadurch, dass der BGH die Problematik eindeutig entscheidet, kommt es nicht auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme des Geschädigten von den Urteilen an, sondern auf den objektiven Zeitpunkt der Klärung, also spätestens mit Veröffentlichung der entsprechenden Urteile in den Fachzeitschriften. Dabei stellt der Bankensenat des BGH auf die Herausbildung einer gefestigten oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung ab.
Rz. 42
Eine solche unklare Rechtslage liegt typischerweise auch bei Regressansprüchen gegen Rechtsberater vor, weil diese Ansprüche regelmäßig von einem noch zu klärenden Rechtsverhältnis zwischen dem Geschädigten und einem Dritten abhängen.
Nicht zuletzt deshalb kann der Geschädigte daher auch in der Rechtberaterhaftung nicht darauf verwiesen werden, dass er mit der Kenntnis der Beratung selbst schon sämtliche relevanten Umstände kennt, ohne dass es darauf ankäme, die rechtlichen Schlüsse zu ziehen, die die Beratung als fehlerhaft erscheinen lässt. Fahrendorf hält die notwendige Kenntnis beim Mandanten richtigerweise erst dann für gegeben, wenn dieser das anwaltliche Verhalten als Abweichung vom juristischen Standard erkannt habe; dafür genüge aber eine "Parallelwertung in der Laiensphäre". Es muss die Kenntnis derjenigen Umstände vorliegen, die den Geschädigten in die Lage versetzt, vom Mangel der Beratung auszugehen. Dementsprechend hat der BGH entschieden, dass beim Anleger nicht grob fahrlässige Unkenntnis vom Beratungsfehler eines Anlageberaters oder von der falschen Auskunft des Anlagevermittlers vorliegt, weil dieser die ihm überreichten Emissionsprospekte nicht gelesen hat, um die Ratschläge auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Das setzt voraus, dass die Kenntnis ...