Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 160
Das Vollstreckungsgericht kann nach § 850c Abs. 6 ZPO auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass Personen, denen der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt leistet und die über eigenes Einkommen verfügen, bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.
Rz. 161
Dieser Antrag kann mit dem Antrag auf Pfändung und Überweisung gestellt (Verbundverfahren), aber auch später nachgeholt (Nachtragsverfahren) werden. Der Gläubiger hat die Tatsachen substantiiert darzulegen, warum die Person unberücksichtigt bleiben soll. So ist die Person namhaft zu machen, ihr Einkommen oder Vermögen anzugeben. Hinsichtlich der eigenen Einkünfte der unterhaltsberechtigten Personen ist – jedenfalls im Verbundverfahren – weder ein Beweis noch eine Glaubhaftmachung erforderlich. Für den Wegfall von Unterhaltsberechtigten ist der schlüssige Vortrag des Gläubigers ausreichend.
Rz. 162
Entschieden wird bei Antragstellung mit Pfändung (Verbundverfahren) sogleich mit Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Eine Anhörung des Schuldners erfolgt nicht (§ 834 ZPO). In den Beschluss wird aufgenommen, dass die näher bezeichnete Person entweder bei der Berechnung des Freibetrags ganz unberücksichtigt bleibt oder mit einem bestimmten Betrag bzw. alternativ einem bestimmten Prozentsatz nicht zu berücksichtigen ist.
Rz. 163
Auch über den nach Wirksamwerden des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gestellten Antrag (Nachtragsverfahren) entscheidet das Vollstreckungsgericht. Vor der Entscheidung ist der Schuldner, nicht auch der Drittschuldner oder der/die Angehörige mit eigenem Einkommen, zu hören; § 834 ZPO findet keine Anwendung. Stellt der Gläubiger den Antrag auf Nichtberücksichtigung, so hat er schlüssig und substantiiert vorzutragen, welche eigenen Einkünfte die unterhaltsberechtigte Person hat. Bestreitet der Schuldner allerdings in diesem Verfahren den substantiierten Vortrag des Gläubigers, hat dieser Beweis anzutreten. Dabei genügt Glaubhaftmachung. Bestreitet der Schuldner substantiiert ein Einkommen eines unterhaltsberechtigten Angehörigen, reicht die Vorlage einer etwas älteren eidesstattlichen Versicherung zur Glaubhaftmachung nicht aus, der Gläubiger ist beweispflichtig. Schweigt der Schuldner in der Anhörung, kann bei schlüssigem Vorbringen des Gläubigers antragsgemäß entschieden werden, ohne dass es des Beweises oder der Glaubhaftmachung bedarf. Bestreitet der Schuldner das Vorbringen des Gläubigers allerdings nicht (§ 138 Abs. 3 ZPO), sind die Angaben des Gläubigers bezüglich der Einkünfte der unterhaltsberechtigten Person als richtig zu unterstellen.
Rz. 164
Umstritten ist, ab welcher Einkommenshöhe des Unterhaltsberechtigten dieser bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens unberücksichtigt zu bleiben hat.
Grundsätzlich gilt: Ob und in welcher Höhe das Einkommen der unterhaltsberechtigten Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners nicht zu berücksichtigen ist, obliegt einer Ermessensentscheidung des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht. Das Gericht hat hier nach billigem Ermessen unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Daher verbietet sich eine schematisierte Betrachtung. Folglich gibt es keine Tabelle, in welcher nachgesehen werden kann, ob z.B. die Ehefrau bei eigenem Einkommen i.H.v. 520,00 EUR unberücksichtigt zu bleiben hat.
Der Rechtspfleger überprüft die dargelegten Umstände von Amts wegen. Diese vom Vollstreckungsgericht zu treffende Bestimmung hat unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls und nicht lediglich nach festen Bezugsgrößen zu erfolgen. Die Frage, ab welcher Höhe ein eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten seine Berücksichtigung bei der Bestimmung der Pfändungsfreibeträge zugunsten des Unterhaltspflichtigen verbietet, ist vom Gesetzgeber bewusst nicht im Einzelnen geregelt worden. Das schließt es nicht aus sich an bestimmten Berechnungsmodellen zu orientieren, um das Vollstreckungsverfahren praktikabel zu gestalten. Ermessensfehlerhaft wäre es aber, dieselbe Berechnungsformel unterschiedslos auf verschiedenartige Fallgestaltungen anzuwenden. Führt der Unterhaltsberechtigte keinen eigenen Haushalt, sondern lebt er stattdessen mit dem Schuldner in einem Haushalt zusammen, ist es nicht gerechtfertigt, sich am vollen Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 u. 4 ZPO (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung) zu orientieren, weil dieser zu einem erheblichen Teil auch dazu dient, die Wohnungsmiete und andere Grundkosten des Haushalts abzudecken, die für den Unterhaltsberechtigten nicht anfallen. In derartigen Fällen können für ihn aber die sozialrechtlichen Bestimmungen herangezogen werden unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Regelungen über die Pfändungsfreigrenzen dem Schuldner und seinen Unterhaltsberechtigten nicht nur das Existenzminimum sichern...