Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 177
Nach § 850h Abs. 2 S. 1 ZPO werden solche Vergütungen dem Arbeitseinkommen des Schuldners hinzugezählt, die dadurch "verschleiert" werden, dass der Schuldner dem Drittschuldner nach der zwischen beiden vorgenommenen Vertragsgestaltung oder auch nur nach den tatsächlichen Verhältnissen Arbeitsleistungen unentgeltlich oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung erbringt.
Rz. 178
Das setzt voraus, dass "in einem ständigen Verhältnis" Arbeiten oder Dienste geleistet werden. Eine einmalige Dienstleistung reicht nicht aus. Ein "ständiges" Arbeits- oder Dienstverhältnis in diesem Sinne liegt auch bei einer Teilzeitbeschäftigung des Schuldners vor, sofern diese nur von gewisser Dauer und regelmäßig ist. Die Dienste müssen tatsächlich geleistet werden, und es muss sich um solche Arbeiten und Dienste handeln, die üblicherweise vergütet werden. Ob dies der Fall ist, kann im Einzelfall insbesondere dann schwer zu beurteilen sein, wenn die Dienst- oder Arbeitsleistungen im Betrieb des Ehegatten oder eines nahen Angehörigen (Eltern-Kind-Verhältnis) geleistet werden. Arbeitet ein Schuldner im Geschäft seiner Ehefrau mit, so kommt es für die Frage, ob im Verhältnis des Gläubigers zu der Ehefrau im Sinne von § 850h Abs. 2 ZPO eine angemessene Vergütung als geschuldet gilt, darauf an, ob aus der Sicht eines Dritten eine ständige und üblicherweise zu vergütende Mitarbeit anzunehmen ist. Gegebenenfalls steht dem Gläubiger auch ein Schadenersatzanspruch nach § 826 BGB zu, sofern sich der unterhaltspflichtige Schuldner im einverständlichen Zusammenwirken mit einem Dritten zu dessen Gunsten vermögens- und einkommenslos gemacht hat – z.B. durch Vereinbarung zwischen Schuldner und Arbeitgeber auf ein Einkommen in unpfändbarer Höhe.
Rz. 179
Gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung leistet der Schuldner seine Dienste dann, wenn er für die Tätigkeit ein deutlich im Missverhältnis zum Marktwert der Arbeitsleistung stehendes Entgelt erhält; dabei kann der Wert der Vergütung an den tariflichen Mindestlöhnen bemessen oder die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zum Maßstab genommen werden. Das BAG sah in einer Entscheidung bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Bruttolohn von 850,00 EUR eine unverhältnismäßig geringe Vergütung als gegeben an und berücksichtigte stattdessen eine angemessene Vergütung von 2.000,00 EUR, das OLG München sah bei einer kleinen Familien-GmbH ein angemessenes Geschäftsführergehalt bei 5.000,00 EUR brutto. Seit Einführung des Mindestarbeitslohn im Jahr 2015 ist der jeweils gültige Mindestarbeitslohn unter Berücksichtigung der von dem Schuldner geleisteten Arbeitsstunden bei der Berechnung des monatlichen Gehaltes zugrunde zu legen. Soweit der Gläubiger für die vom Schuldner für den Arbeitgeber erbrachte Tätigkeit eine höhere Vergütung für üblich und angemessen hält, muss er dies im Einziehungsprozess nachweisen.
Die Pfändung erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen.
Rz. 180
Die Pfändung erfordert außer dem Pfändungsakt noch die Festsetzung des fiktiven Entgelts. Nur der Gläubiger, der auch die Festsetzung des fiktiven Entgelts betreibt, kann aufgrund seiner Pfändung Ansprüche durchsetzen. Die Bestimmung des gepfändeten und an den Gläubiger abzuführenden Betrags erfolgt, wenn Gläubiger und Drittschuldner sich nicht einigen können, im Einziehungsprozess durch das Prozessgericht. Das Vollstreckungsgericht prüft nicht, ob die Forderung besteht, es darf den Pfändungsantrag nur ausnahmsweise ablehnen, wenn die Forderung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offenbar nicht zustehen kann oder ersichtlich unpfändbar ist. Ob und in welcher Höhe dem Gläubiger eine angemessene Vergütung zusteht, ist vom Prozessgericht in dem gegen den Drittschuldner gerichteten Einziehungserkenntnisverfahren zu entscheiden. Ein dem Schuldner vom Drittschuldner gewährter geldwerter Vorteil ist nur bei der Berechnung des pfändbaren realen, nicht aber bei der Ermittlung des fiktiven Arbeitseinkommens zu berücksichtigen. Nur die fiktive Nettovergütung steht für die Pfändung zur Verfügung. Freibeträge für Kinder können von dieser fiktiven Nettovergütung nur dann abgesetzt werden, wenn auch tatsächlich Unterhalt geleistet wird.