Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 250
Die Kontenpfändung gehört trotz der Reform des Kontopfändungsschutzes zum 1.7.2010 zu den effizienten Formen der Zwangsvollstreckung. Auch das P-Konto vermochte daran nichts zu ändern. Zahlreiche Vollstreckungsschutzbestimmungen schützen den Schuldner insbesondere bei der Pfändung des Arbeitseinkommens (§§ 850 ff. ZPO), aber auch bei der Sachpfändung (z.B. §§ 811 ff. ZPO). Kein Bürger kann auf die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr verzichten. Er spürt die Nachteile im kreditierten Markt von Waren und Dienstleistungen unmittelbar, so dass die Kontenpfändung in vielen Fällen Aussicht auf Erfolg verspricht, weil der von ihr ausgehende Vollstreckungsdruck am stärksten ist.
Rz. 251
Die Kontenpfändung hat für den Schuldner zahlreiche Konsequenzen bis hin zur Kündigung der Kontoverbindung durch die Bank. Allein der Umstand, dass ein Konto gepfändet ist, wird als hartes Merkmal gegen die Zahlungsfähigkeit gewertet und schließt ihn regelmäßig von der Nutzung kreditgestützter Geschäfte aus. Dies gilt auch bei der Pfändung eines Pfändungsschutzkontos (P-Konto). Insbesondere für Geschäftsleute behindert die Kontenpfändung die Möglichkeit, laufende Verbindlichkeiten zu erfüllen, und geht stets mit dem drohenden Verlust der Kreditwürdigkeit einher, ist meist nur Zwischenstufe zur Insolvenz.
Die Pfändung eines Bankkontos ist deshalb auch ein probates und zugleich legales Druckmittel in der Hand des Gläubigers. Auch wenn kein oder nur ein geringes Guthaben auf dem gepfändeten Konto vorhanden ist, entsteht aufgrund der dargelegten Konsequenzen Druck, der es dem Schuldner attraktiv erscheinen lässt, mit dem Gläubiger eine vergleichsweise Regelung in Form eine Abfindungs- oder Ratenzahlungsvergleiches zu treffen. Denn der Schuldner hat ein großes Interesse an einer alsbaldigen Freigabe des gepfändeten Kontos, damit er seinen Zahlungsverkehr wieder "normal" abwickeln kann. Bleibt die Pfändung bestehen, ist das Konto für ihn "wertlos". Er muss sich um eine andere Kontoverbindung bemühen, was zumeist schwierig sein wird. Der drohende Verlust der Kreditwürdigkeit tut ein Übriges und es ist eine Situation geschaffen, in der der Schuldner grundsätzlich bereit sein könnte, zumindest Raten- oder Teilzahlungen auf die geschuldete Forderung zu leisten. Gegen eine – auch vorübergehende – Freigabe des Kontos als Gegenleistung des Gläubigers lassen sich Teil- oder Ratenzahlungsvereinbarungen oftmals gut erreichen. Diese Form der gütlichen Einigung entlastet die Gerichte und Vollstreckungsorgane, steht mit dem allgemeinen gesetzgeberischen Ziel möglichst gütlicher Einigungen in Einklang und vermeidet weitere Kosten, die am Ende die Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners oder aber den Verzugsschaden des vorleistungspflichtigen Gläubigers erhöhen.
Rz. 252
Tipp
In unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Vorpfändung (§§ 802a Abs. 2 Nr. 5, 845 ZPO) oder der unmittelbaren Kontopfändung (§§ 829 Abs. 2 und 3 ZPO) sollte deshalb Kontakt mit dem Schuldner aufgenommen und ihm die Freigabe des gepfändeten Kontos gegen den Abschluss einer Teil- oder Ratenzahlungsvereinbarung angeboten werden.
Rz. 253
Hinweis
In diesem Zusammenhang darf der Gläubiger in keinem Fall auf die Rechte aus dem erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verzichten, weil dadurch der gesicherte Rang verloren geht. Bricht der Schuldner die Ratenzahlung vor dem endgültigen Forderungsausgleich ab, ist der Gläubiger ohne Sicherheit. Teilen Sie der Bank im Falle einer Ratenzahlungsvereinbarung mit, dass Sie sich mit dem Schuldner geeinigt haben und die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ruhen soll. Verweigern die Banken eine Ruhendstellung des Kontos muss der Schuldner einen Antrag nach § 765a ZPO stellen, dem der Gläubiger zustimmt. Wird die Ratenzahlungsvereinbarung nicht mehr eingehalten, kann der Gläubiger die Aufhebung beantragen.
Rz. 254
Kontenpfändungen sind nicht unbegrenzt möglich. Vielmehr ist der Pfändungsschutz zu beachten, der mit der Reform der Kontopfändung 2010 und der Einführung des Pfändungsschutzkontos (P-Konto) in nicht unerheblichem Umfang ausgeweitet wurde. In wenigen Fällen muss auch mit Schuldnerschutzanträgen nach § 765a ZPO gerechnet werden.
Rz. 255
Mit der zum 1.7.2010 in Kraft getretenen Reform der Kontopfändung hat der Gesetzgeber einerseits den bisherigen Kontopfändungsschutz zunächst noch bis zum 31.12.2011 beibehalten, andererseits mit dem Pfändungsschutzkonto aber schon ein erheblich erweitertes Schutzinstrument geschaffen. Auf diesem Pfändungsschutzkonto kann der Schuldner in drei Stufen, § 850k Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 ZPO, seine Einkünfte, gleich aus welcher Quelle sie kommen, von der Pfändung freistellen. Damit genießen erstmals auf dem Konto nicht nur das Arbeitseinkommen, Sozialleistungen und das Kindergeld Pfändungsschutz, sondern Einkünfte aller Art, d.h. auch solche Einkünfte, die an der Quelle keinem Pfändungsschutz unterliegen.
Rz. 256