Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 143
Die Pfändungsfreigrenzen werden seit der Änderung des § 850c Abs. 4 ZPO im Jahr 2021 nunmehr jährlich zum 1.7. jeden Jahres anpasst und steigen jeweils deutlich an, u.a. mit dem Zweck, das Absinken des Schuldners unter das Existenzminimum zu verhindern und ihm noch einen Arbeitsanreiz zu bieten. Im Gegenzug ist jedoch auch das Bürgergeld (als Berechnungsgrundlage des Existenzminimums) zum 1.1.2024 deutlich erhöht worden. Es ist daher einzelfallabhängig, inwieweit die Bestimmung des § 850f Abs. 1 Nr. 1 ZPO in der Praxis Bedeutung erlangt. Sie setzt nämlich voraus, dass der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO der notwendige Lebensunterhalt i.S.d. 3. und 11. Kapitels des SGB XII für ihn und für diejenigen Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat, nicht gedeckt ist.
Rz. 144
Anspruch auf Sozialhilfe nach dem 3. Kapitel des SGB XII zum Lebensunterhalt besteht zum einen außerhalb von (§§ 27 SBG XII) und in Einrichtungen (§ 27b SGB XII), in denen der Schuldner lebt und Hilfen erhält (§ 13 SGB XII). Ein besonderer Freibetrag ist ihm insbesondere dabei auch dann zu belassen, wenn hohe Kosten für ein Altersheim, in dem der Schuldner untergebracht ist, nicht gedeckt sind. Die Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen besteht aus Leistungen, die sich zusammensetzen aus:
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laufenden Leistungen für den Regelbedarf (ausgenommen Unterkunft, Heizung und Sonderbedarf), die nach Regelsätzen erbracht werden (§ 27a SGB XII). Die Höhe der Regelbedarfe wird durch das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz ermittelt und ergibt sich aus der Anlage zu § 28 SGB XII. In den Regelsätzen sind (pauschal) auch Leistungen für (nicht regelmäßig wiederkehrende) besondere Bedürfnisse wie Bekleidung, Hausrat und Haushaltsgeräte sowie für besondere Anlässe einbezogen; |
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Sonderbedarf (§§ 30–33 SGB XII) wie z.B. Mehrbedarf für Personen, die das 65. Lebensjahr beendet haben, voll erwerbsgeminderte Personen, werdende Mütter, Alleinerziehende, Behinderte, Kranke und Genesende; |
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Bedarf für Bildung und Teilhabe (§ 34 SGB XII) für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Leistungen hierzu bedürfen eines separaten Antrags und werden durch Sach- und Dienstleistungen erbracht; |
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Leistungen für Unterkunft und Heizung (§§ 35, 36 SGB XII); |
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einmaligen Bedarfen (§ 31 SGB XII), Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, Erstausstattungen für Bekleidung einschließlich Schwangerschaft und Geburt sowie mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen. |
Rz. 145
Für Unterkunft finden die tatsächlichen Aufwendungen Berücksichtigung, jedoch nur so lange, als es dem Schuldner nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 35 Abs. 3 S. 2 SGB XII). Zu den einzelnen Voraussetzungen wird auf die Bestimmung des § 27 Abs. 3 SGB XII Bezug genommen. Die Leistungen können insoweit aber auch mit einer monatlichen Pauschale abgegolten werden (§ 35 Abs. 4 SGB XII). In Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, u.U. ebenfalls mit einer monatlichen Pauschale, finden die angemessenen Kosten für die Heizung und zentrale Warmwasserversorgung Berücksichtigung (§ 35 Abs. 5 SGB XII). Bei der Bemessung der Pauschale sind die persönlichen und familiären Verhältnisse, die Größe und Beschaffenheit der Wohnung, die vorhandenen Heizmöglichkeiten und die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen.