Frank-Michael Goebel, Dr. Jochen Schatz
Rz. 304
Bei einem Oder-Konto handelt es sich um ein Gemeinschaftskonto, über das jeder Kontoinhaber allein verfügen kann (§ 428 BGB). Die Kontoinhaber sind gegenüber dem Kreditinstitut als Gesamtgläubiger berechtigt. Jeder einzelne Gläubiger ist hinsichtlich der gesamten Einlage forderungsberechtigt und kann stets Zahlung an sich verlangen. Daraus folgt, dass ein Gläubiger der Kontoinhaber das gesamte auf diesem Konto vorhandene Guthaben pfänden und sich überweisen lassen kann. Der BGH hat in der zuletzt angeführten Entscheidung offengelassen, ob der von der Pfändung nicht betroffene Kontoinhaber weiterhin über die Einlageforderung verfügen kann und das Kreditinstitut zur Leistung an ihn berechtigt und verpflichtet bleibt, solange der Betrag noch nicht an den Vollstreckungsgläubiger ausgezahlt ist.
Rz. 305
Ausgehend von der Gesamtgläubigerschaft kann hier nicht von einer Pfändung nach Kopfteilen ausgegangen werden. Ungeachtet dessen muss die Pfändung und Überweisung den anderen Kontoinhaber, der nicht Vollstreckungsschuldner ist, daran hindern, über ein eventuelles Guthaben zu verfügen. Zwar trifft das Verfügungsverbot immer nur den Vollstreckungsschuldner und nicht den Kontomitinhaber. Mit der Pfändung hat der Gläubiger aber für den insoweit berechtigten Schuldner auf den gesamten Auszahlungsanspruch zugegriffen und mit der Überweisung auch die Auszahlung verlangt. Anders verhält es sich nur dann, wenn die Forderung – etwa bei einer Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO – zwar gepfändet, nicht aber überwiesen wurde. Selbst nach anderer Ansicht gilt aber, dass jedenfalls solange der nichtschuldnerische Kontomitinhaber keine Auszahlung verlangt hat, das Kreditinstitut dem Auszahlungsbegehren des Pfändungsgläubigers bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen in vollem Umfange nachzukommen hat. Selbst bei einem Zusammentreffen der Auszahlungsbegehren von Pfändungsgläubiger und Mitinhaber des Kontos sollte die Bank unter Hinweis auf die Priorität – auch an den Vollstreckungsgläubiger – leisten. In der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an das Kreditinstitut ist ein Leistungsverlangen des Vollstreckungsgläubigers in Höhe des gepfändeten Betrages zu sehen. Weil aber nach § 430 BGB die Gesamtgläubiger im Zweifel zu gleichen Teilen berechtigt sind, hat der nichtschuldnerische Kontomitinhaber nach einer Ansicht gegen den Pfändungsgläubiger einen Anspruch auf den ihm zustehenden Anteil. Richtigerweise ist dieser Anspruch gegen den Schuldner gerichtet und gegenüber dem (titulierten) Pfändungsgläubiger nachrangig. Es realisiert sich das Risiko, wenn man mit einem Schuldner ein gemeinsames Konto unterhält. Eine andere Sicht der Dinge eröffnet Manipulationsmöglichkeiten für den Schuldner, wenn er nur weitere Kontoinhaber für sich (zum Schein) gewinnt.
Rz. 306
Hinweis
Die Verfügung des Mitinhabers eines Oder-Kontos über eine (auch) ihm zustehende Auszahlungsforderung gegen die Bank ist allerdings trotz einer die Auszahlungsforderung des anderen Kontomitinhabers betreffenden Vorpfändung gem. § 845 ZPO wirksam.
Rz. 307
Konnte der Schuldner bis zum 31.12.2011 auf dem Oder-Konto noch sein Arbeitseinkommen, Sozialleistungen und das Kindergeld pfändungsfrei stellen lassen, § 850l ZPO, § 55 SGB I, § 76a EStG, ist dies ab dem 1.1.2012 nicht mehr möglich. Nach § 850k Abs. 8 darf nämlich jede natürliche Person nur ein Pfändungsschutzkonto haben. Im Zusammenspiel mit § 850k Abs. 7 ZPO wird daraus abgeleitet, dass ein Pfändungsschutzkonto als Gemeinschaftskonto nicht geführt werden kann. Das Gemeinschaftskonto muss also getrennt und nur das fortbestehende Konto des Schuldners dann in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt werden. Im Rahmen eines Formularbuches können die dabei relevanten Probleme nicht vertiefend behandelt werden. Hierfür ist auf die Spezialliteratur zu verweisen.
Rz. 308
Hinweis
Eine besondere Problematik stellt sich noch bei der GbR. Während der BGH die Rechtsfähigkeit der GbR weitgehend fingiert, gehen BMF und BaFin weiterhin davon aus, dass die GbR nicht selbst Kontoinhaber sein kann. In der Praxis kann dem nur rechtssicher begegnet werden, in dem bereits im Erkenntnisverfahren darauf geachtet wird, dass sich der Titel gegen GbR und alle Gesellschafter richtet und im weiteren Vollstreckungsverfahren dann auch gegen alle Schuldner gleichermaßen vorgegangen wird. Dann bleibt auch unerheblich, ob es sich um ein Oder-Konto oder ein Und-Konto handelt.