Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 445
Die Beschwerde kann wirksam nur bei dem Gericht eingelegt werden, dessen Entscheidung angefochten wird, vgl. § 64 Abs. 1 FamFG. Es ist nicht möglich bei dem Beschwerdegericht selbst Beschwerde einzulegen. Die Beschwerde darf auch keinesfalls "bedingt" eingelegt werden, etwa durch VKH-Bewilligung. Dies ist unzulässig.
Eine Auslegung dahin, dass ein Schriftsatz nicht unbedingt als Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründung bestimmt ist, kommt aber nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt. Der Rechtsmittelführer wird nämlich eher das Kostenrisiko auf sich nehmen wollen, als von vornherein zu riskieren, dass sein Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird.
Rz. 446
Hinweis
Zulässig ist auch die Einreichung eines VKH-Antrages für ein beabsichtigtes Rechtsmittel. Wird dann VKH bewilligt, muss Wiedereinsetzung beantragt werden, d.h. das Rechtsmittel ist dann in der Wiedereinsetzungsfrist einzulegen.
"Eine arme Partei, die ein Rechtsmittel einlegen will, hat grundsätzlich Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn sie ihr Prozesskostenhilfegesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht hatte (st. Rspr.). Das setzt allerdings voraus, dass dem Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens innerhalb der Rechtsmittelfrist neben der ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch die insoweit notwendigen Belege beigefügt waren. Denn für den Regelfall schreibt § 117 Abs. 4 ZPO zwingend vor, dass sich der Antragsteller zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung vom 17.10.1994 (…) eingeführten Vordrucks bedienen muss. Der Antragsteller kann deswegen grundsätzlich nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben, wenn er rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist einen ordnungsgemäß ausgefüllten Vordruck nebst den erforderlichen Anlagen zu den Akten reicht (…)."
Rz. 447
Eine Einlegung der Beschwerde beim Rechtsmittelgericht ist nicht zulässig, wahrt insbesondere nicht die Rechtsmittelfrist. Allerdings ist das Beschwerdegericht gehalten, die Beschwerde im ordentlichen Geschäftsgang an das Ausgangsgericht weiterzuleiten. Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Gericht) können vom unzuständigen Gericht freilich nicht verlangt werden.
Rz. 448
Praxistipp zu VKH
Der VKH-Antrag für ein erstinstanzliches Verfahren ist beim Amtsgericht – Familiengericht zu stellen, vgl. § 64 Abs. 1 S. 2 FamFG.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist nach Bescheidung des VKH-Antrags innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO) beim Beschwerdegericht einzureichen. Innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist ist auch die versäumte Rechtshandlung – Beschwerde – nachzuholen. Diese ist dann wieder beim Ausgangsgericht (Familiengericht) einzulegen und später gegenüber dem Beschwerdegericht zu begründen (vgl. § 117 Abs. 1 S. 2 FamFG für Familienstreitsachen und Ehesachen).
Ist die Beschwerdebegründungsfrist bei VKH-Bewilligung bereits abgelaufen, kann und muss auch wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden, ggf. verbunden mit einem Fristverlängerungsantrag.