Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 42
Der Gesetzgeber definiert in § 114 Abs. 2 ZPO den Begriff der mutwilligen Prozessführung wie folgt:
Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
Rz. 43
Das Merkmal der Mutwilligkeit ist von der Erfolgsaussicht zu trennen. Die Mutwilligkeit kommt nur dann zum Tragen, wenn Erfolgsaussicht besteht. Mutwilligkeit kann daher vorliegen, wenn eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, z.B. weil die Vollstreckung dauernd aussichtslos ist wegen Vermögenslosigkeit des Schuldners. Mutwillig handelt eine Partei stets dann, wenn sie ihre Rechte in gleicher Weise, jedoch auf einem billigeren Wege verfolgen könnte. Maßstab für die Beurteilung der Mutwilligkeit ist letztlich das hypothetische Verhalten einer selbstzahlenden Partei, die sich in der Situation des Antragstellers befindet, ihre Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt.
So ist es mutwillig, laufenden Unterhalt nicht als solchen geltend zu machen, sondern jeweils nachträglich als rückständigen Unterhalt einzufordern. Auch die frühere Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für solche Anträge begründet keinen Vertrauensschutz für eine weitere unwirtschaftliche Prozessführung.
Rz. 44
Unterlässt es der Antragsgegner in einem vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren ohne triftigen Grund, Einwendungen rechtzeitig geltend zu machen, mit denen er ohne weiteren Aufwand eine Unterhaltsfestsetzung verhindern könnte, so ist ein anschließend von ihm gemäß §§ 240, 241 FamFG eingeleitetes Abänderungsverfahren verfahrenskostenhilferechtlich mutwillig.
Die unterbliebene Erklärung des anwaltlich vertretenen Antragsgegners zur Sache im Verfahrenskostenhilfeverfahren des Antragstellers begründet nach überwiegend vertretener Auffassung keine Mutwilligkeit des Vorgehens. Mutwilligkeit liegt vor, wenn ein verständiger, begüterter Beteiligter seine Rechte nicht in gleicher Weise wie der bedürftige Beteiligte verfolgen würde.
Rz. 45
Teilweise wird vertreten, dass eine verständige, ihre finanziellen Interessen wahrende Partei nach § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO die Gelegenheit zur Stellungnahme zum VKH-Gesuch des Antragstellers wahrnehmen würde, um eine Verfahrenseinleitung zu verhindern. Dies auch deshalb, weil bei einem obsiegenden Urteil oder Beschluss etwaige Kostenerstattungsansprüche gegenüber dem bedürftigen Antragsteller kaum zu realisieren sein dürften. Insoweit könnten unnötige Kosten verhindert werden.
Das OLG Oldenburg ist hingegen der Auffassung, dass der Antragsgegner zwar nach § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO ein Recht zur Äußerung hat, daraus aber keine Obliegenheit abzuleiten sei. Das Nichtgebrauchmachen von einem Recht dürfe sich nicht nachteilig auf den eigenen VKH-Antrag für die Rechtsverteidigung auswirken. Der Antragsgegner kann daher auch seinerseits Verfahrenskostenhilfe beantragen, unabhängig davon, ob er sich im VKH-Prüfungsverfahren des Antragstellers geäußert hat.
Praxistipp
Nach wie vor ist sehr umstritten, welche Konsequenzen das Schweigen des Antragsgegners im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe hat. So hat das OLG Hamm entschieden, dass es sich zu Lasten des Antragsgegners bei der Kostenentscheidung gemäß § 91a Abs. 1 ZPO im Rahmen des billigen Ermessens auswirkt, wenn dieser eine Einlassung zu einem Antrag des Antragstellers auf Verfahrenskostenhilfe für einen Stufenantrag verweigert hatte. Die Entscheidung, die noch zum alten Recht erging, ist auch für das FamFG von Bedeutung, da nunmehr bei jeder Kostenentscheidung in Unterhaltssachen nach § 243 FamFG eine Ermessensentscheidung zu treffen ist.
Rz. 46
Ein Unterhalt begehrender Beteiligter, der die Höhe des Einkommens des Antragsgegners nicht kennt, handelt mutwillig, wenn er Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Zahlung des höchsten denkbaren Unterhaltsbetrages begehrt, ohne – unter vorsichtiger Schätzung der Höhe des Unterhaltsanspruchs – im Wege des Stufenantrags zunächst einen Anspruch auf Auskunftserteilung geltend zu machen.
Unterhaltsansprüche können mittels der "billigen" einstweiligen Anordnung, aber auch im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens tituliert werden. Ein wirtschaftlich denkender Beteiligter wird aufgrund des Kostenvorteils unter Umständen die eA vorziehen.
Benötigt der Antragsteller für den Unterhaltshauptsacheantrag Verfahrenskostenhilfe, so könnte ihm diese deshalb wegen Mutwilligkeit verweigert werden mit der Begründung, dass eine einstweilige Unterhaltsanordnung nach dem FamFG auch ohne Hauptsache zulässig und es im Rahmen einer solchen einstweiligen Anordnung bereits möglich sei, das erstrebte Rechtsschutzziel zu erreichen.
Rz. 47
Nach § 246 FamFG gilt für Unterhaltssachen nicht das Prinzip, das im vorläufigen Rechtsschutz keine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgen soll, sondern das FamG kann im eA...