Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
Rz. 268
Der Abänderungsantrag nach § 239 FamFG richtet sich gegen gerichtliche Vergleiche nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und vollstreckbare Urkunden, sofern sie eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthalten. Diesen Titeln ist gemein, dass sie keine Rechtskraft entfalten können. Die Abänderung richtet sich somit allein nach materiellem Recht.
Bei einem im einstweiligen Anordnungsverfahren geschlossenen Vergleich, hängt die Anwendbarkeit von § 239 FamFG davon ab, ob nach dem Willen der Beteiligten eine über die Erledigung des im einstweiligen Rechtsschutz verfolgten Anliegens hinausreichende und endgültige Unterhaltsregelung getroffen werden sollte. Ist dies der Fall, handelt es sich um einen nach § 239 FamFG abänderbaren gerichtlichen Vergleich. Soll der Vergleich jedoch nur zur vorläufigen Erledigung des einstweiligen Anordnungsverfahrens dienen, scheidet eine Abänderung nach § 239 FamFG aus. Hier ist nach § 54 FamFG vorzugehen.
Rz. 269
Nicht vom Wortlaut des § 239 Abs. 1 S. 1 FamFG umfasst, ist der Anwaltsvergleich nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 794 Abs. 1 Nr. 4b ZPO. Vollstreckungstitel ist der gerichtliche Beschluss, welcher den Vergleich für vollstreckbar erklärt, und nicht der Anwaltsvergleich selbst. Dennoch ist § 239 FamFG entsprechend anzuwenden.
Außergerichtliche Vergleiche unterliegen dagegen nicht dem Abänderungsverfahren nach § 239 FamFG, da es sich nicht um Vollstreckungstitel handelt.
Rz. 270
Die vollstreckbaren Urkunden als nach § 239 FamFG abänderbare Unterhaltstitel müssen den Maßgaben des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO entsprechen, wenngleich auf diese Vorschrift nicht ausdrücklich Bezug genommen wird. Voraussetzung ist also, dass die Urkunde von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar aufgenommen wird, die Verpflichtung zu einer bestimmten Unterhaltszahlung beinhaltet und sich der Schuldner in der Urkunde wegen dieser bestimmten Unterhaltsforderung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Der zu zahlende Betrag muss ziffernmäßig festgelegt sein oder sich aus der Urkunde selbst durch einfache Rechenvorgänge unschwer ermitteln lassen. Nicht ausreichend hierfür ist die Bezugnahme auf Urkunden oder Schriftstücke, wenn diese nicht Bestandteil des Unterhaltstitels sind.
Rz. 271
Verpflichtet sich ein Unterhaltsschuldner in einem gerichtlichen Vergleich oder in einer vollstreckbaren Urkunde, dem Unterhaltsberechtigten über eine freiwillig geleistete Zahlung hinaus (Sockelbetrag) zu zahlen, so stellt dieser Titel in der Regel nur in Höhe des Spitzenbetrags einen Vollstreckungstitel dar. Einen solchen Titel kann der Unterhaltsverpflichtete nur dann zum Gegenstand eines Abänderungsverfahrens machen, wenn die erstrebte Herabsetzung des zu leistenden Unterhalts den freiwillig geleisteten Sockelbetrag übersteigt.
Rz. 272
Eine nach § 59 Abs. 1 S. 1 SGB VIII errichtete Jugendamtsurkunde steht nach § 60 SGB VIII in ihrer vollstreckungsrechtlichen Wirkung einer durch das Gericht oder den Notar errichteten Urkunde gleich und unterliegt somit ebenfalls der Abänderung nach § 239 FamFG.
Hat der Unterhaltsverpflichtete in einer Jugendamtsurkunde den aus seiner Sicht vollen geschuldeten Kindesunterhalt titulieren lassen, kann ein höherer Unterhalt vom Berechtigten nur im Wege des Abänderungsantrags geltend gemacht werden. Eine Nachforderung durch einen Leistungsantrag nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 253, 258 ZPO ist nur dann möglich, wenn sich der schon vorliegende Titel eindeutig nur auf einen Teilbetrag des geschuldeten Unterhalts beschränkt.
Rz. 273
Wenn der Unterhaltsberechtigte eine Titulierung seines Anspruchs in dynamisierter Form verlangt hatte, der Unterhaltsverpflichtete den Titel jedoch in statischer Form hat errichten lassen, ist ein Abänderungsbegehren berechtigt. Es obliegt nämlich der Entscheidung des Unterhaltsberechtigten, ob der Unterhalt in statischer oder dynamisierter Form tituliert werden soll. Daher ist ein Abänderungsantrag zulässig, wenn ein Unterhaltstitel unter Missachtung des vom Berechtigten ausgeübten Wahlrechts nach § 1612a BGB entstanden ist, weil andernfalls das Wahlrecht des Berechtigten gegenstandslos würde.
Rz. 274
Indessen steht es dem Unterhaltspflichtigen frei, mit der Erstellung einer neuen Jugendamtsurkunde einen weiteren Vollstreckungstitel im gleichen Unterhaltsverhältnis unter Erhöhung oder Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung zu erzeugen. Dem Unterhaltsberechtigten auf der anderen Seite bleibt es unbenommen, auf seine Rechte aus dem ursprünglichen Unterhaltstitel ganz oder teilweise zu verzichten. Die Beteiligten des Unterhaltsverhältnisses sind deshalb aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, im Einvernehmen einen bestehenden (gerichtlichen oder urkundlichen) Unterhaltstitel durch einen neuen Unterhaltstitel zu ersetzen.